1 8 4 D O C U M E N T 9 5 L O R E N T Z A N D C O O P E R A T I O N Gelehrten und wissenschaftlichen Gesellschaften.[3] Wie schwierig dies Unterneh- men ist, kann sich der Unbeteiligte kaum vorstellen. Der während des Krieges an- gesammelte Groll wirkt nach, und viele einflussreiche Männerverharren bei der unversöhnlichen Haltung, zu der sie sich unter dem Druck der Verhältnisse haben drängen lassen. So gleicht Lorentz’ Bemühung der eines Arztes, der einen wider- willigen Patienten zu behandeln hat, welcher die zu seinem Besten sorgsam vorbe- reiteten Heilmittel nicht zu sich nehmen will. Aber Lorentz lässt sich nicht abschrecken, wenn er einen Weg als den richtigen erkannt hat. Unmittelbar nach dem Kriege beteiligte er sich an der Leitung des „Conseil de recherches“, der von den Gelehrten der Siegerstaaten unter Aus- schluss der Gelehrten und Körperschaften der „Centralmächte“ gegründet wurde.[4] Mit diesem Schritte, der ihm von den Gelehrten der „Centralmächte“ ver- übelt wurde, verfolgte er den Zweck, diese Institution so zu beeinflussen, dass sie zu einer wirklich internationalen erweitert werden könne.[5] Ihm und anderen gut- gesinnten gelang es, nach wiederholten Bemühungen, die Aufhebung des berüch- tigten Ausschluss-Paragraphen in den Statuten des „Conseil“ herbeizuführen.[6] Das Ziel der Wiederherstellung normaler und fruchtbarer Zusammenarbeit der gelehrten Gesellschaften ist aber damit noch nicht erreicht, da sich die Gelehrten der „Centralmächte“, durch fast zehn Jahre Ausschliessung von fast allen interna- tionalen wissenschaftlichen Veranstaltungen verärgert, an eine ablehnende Haltung gewöhnt haben. Es besteht jedoch wohlbegründete Hoffnung, dass durch Lorentz’ taktvolle und vom reinen Interesse an der guten Sache geleitete Bemühungen das Eis bald geschmolzen sein wird. H. A. Lorentz hat seine Kräfte noch auf eine zweite Weise in den Dienst der in- ternationalen geistigen Ziele gestellt, indem er die Wahl in der Völkerbunds-Kom- mission für internationale geistige Zusammenarbeit annahm, welche vor etwa fünf Jahren unter Bergson’s Vorsitz ins Leben gerufen wurde.[7] Seit einem Jahre ist H. A. Lorentz Vorsitzender dieser Kommission,[8] welche unter der thatkräftigen Un- terstützung des ihr unterstellten Pariser Institutes eine vermittelnde Thätigkeit auf dem Gebiete der intellektuellen und künstlerischen Arbeit der verschiedenen Kul- tur-Kreise ausüben soll.[9] Auch dort wird der wohlthätige Einfluss seiner klugen, menschenfreundlichen und schlichten Persönlichkeit auf den rechten Weg führen, deren nicht ausgesprochene aber immer befolgte Defvise lautet: „Nicht herrschen, sondern dienen“. Möge sein Beispiel dazu beitragen, dass dieser Geist durchdringe! A. Einstein
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