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zeugung nur ein Unterschied in der Wahl des Standpunktes sein, nicht aber ein rea-
ler Unterschied. Vom Magneten aus beurteilt, war sicherlich kein elektrisches Feld
vorhanden, vom Stromkreis aus beurteilt war sicher ein solches vorhanden. Die
Existenz des elektrischen Feldes war also eine relative, je nach dem Bewegungszu-
stand des benutzten Koordinatensystems, und nur dem elektrischen und magneti-
schen Felde zusammen konnte, abgesehen vom Bewegungszustande des Beobach-
ters, bezw. Koordinatensystems, eine Art objektiver Realität zugestanden werden.
Die[se] Erscheinung der magnetelektrischen Induktion zwang mich dazu, das (spe-
zielle) Relativitätsprinzip zu
postulieren.[34]

Als ich (i. J. 1907) mit einer zusammenfassenden Arbeit über die spezielle Re-
lativitätstheorie für das „Jahrbuch für Radioaktivität und Elektronik“ beschäftigt
war,[35]
da musste ich auch versuchen, die Newton’sche Gravitationstheorie so zu
modifizieren, dass ihre Gesetze in die Theorie hineinpassten. In dieser Richtung
unternommene Versuche zeigten zwar die Durchführbarkeit dieses Unternehmens,
befriedigten mich aber nicht, weil sie auf physikalisch unbegründete Hypothesen
gestützt werden mussten. Da kam mir der glücklichste Gedanke meines Lebens in
folgender Form:
Das Gravitationsfeld hat an einem betrachteten in ähnlicher Weise nur eine
relative Existenz wie das durch magnetelektrische Induktion erzeugte elektrische
Feld. Denn für einen vom Dache eines Hauses frei herabfallenden Beobachter exi-
stiert während seines Falles—wenigstens in seiner unmittelbaren Umgebung—
kein
Gravitationsfeld.[36]
Lässt der Beobachter nämlich irgend welche Körper los,
so bleiben sie relativ zu ihm im Zustande der Ruhe bezw. gleichförmigen Bewe-
gung, unabhängig von ihrer besonderen chemischen und physikalischen
Natur.[37]
Der Beobachter ist also berechtigt, seinen Zustand als „Ruhe“ zu deuten.
Der ungemein sonderbare Erfahrungssatz, dass alle Körper in demselben
Schwerefelde mit gleicher Beschleunigung fallen, erhielt durch diesen Gedanken
sofort einen tiefen physikalischen Sinn. Wenn es nämlich auch nur ein einziges
Ding gäbe, das im Schwerefelde anders fällt wie die andern, so könnte der Beob-
achter mit seiner Hilfe erkennen, dass er sich in einem Schwerefelde befindet und
dass er in diesem fällt. Existiert aber ein solches Ding—wie die Erfahrung mit
grosser Genauigkeit ergeben hatte—nicht, so fehlt zunächst jeder objektive Grund
für den Beobachter, sich als einen in einem Gravitationsfelde fallenden zu betrach-
ten. Er hat vielmehr das Recht, seinen Zustand als ruhend und seine Umgebung
bezüglich der Gravitation als feldfrei zu betrachten.
Die Erfahrungsthatsache von der Unabhängigkeit der Fallbeschleunigung vom
Material ist also ein mächtiges Argument dafür, dass das Relativitätspostulat auf
relativ zu einander ungleichförmig bewegte Koordinatensysteme auszudehnen ist.
[p. 21]
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