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(21) Physikalischer und mathematischer Inhalt des allgemeinen Relativitäts-
Prinzips.
Nach diesen mehr formalen Zwischenbetrachtungen nehmen wir den Faden un-
serer Hauptüberlegung wieder auf. Wir haben gesehen, dass die Ausdehnung des
Relativitätsprinzips auf nicht beschleunigungsfreie Relativbewegungen der Koor-
dinatensysteme uns die Wesensgleichheit der trägen und schweren Masse verste-
hen lässt. Andererseits aber hat sich ergeben, dass es unmöglich ist, in endlichen
Gebieten raum-zeitliche Koordinaten einzuführen, derart, dass die räumlichen Ko-
ordinaten durch gleich beschaffene Massstäbe, die zeitlichen durch Uhren unmit-
telbar gemessen werden könnten. Es gibt überhaupt keine physikalischen Gebilde,
welche die gerade Linie verkörpern, sodass man nicht in der Lage ist, in physika-
lisch sinnvoller Weise zwischen gradlinig-rechtwinkligen (kartesischen) und
krummlinig-schiefen Koordinatensystemen zu unterscheiden. Es liegt also hier für
das vierdimensionale raum-zeitliche Kontinuum der Physik genau der analoge Fall
vor wie bei dem Gauss-Riemann’schen, rein geometrischen Problem.
Die Analogie geht aber noch weiter. Wie das metrische Verhalten eines unend-
lich kleinen Stückes einer Fläche (bezw. eines Riemann’schen Raumes) der eukli-
dischen Geometrie gemäss war, sodass im Unendlich-Kleinen lokale Koordinaten-
systeme existieren, in welchen sich die mit dem Massstab gemessene Distanz ds
aus den unmittelbar messbaren (lokalen) Koordinaten nach der Pythago-
reischen Formel
ausdrückt; so existieren auch in der raum-zeitlichen Welt der allgemeinen Relati-
vitätstheorie überall lokale Koordinatensysteme, in welchen die einfachen metri-
schen Beziehungen der speziellen Relativitätstheorie obwalten. Die raum-zeitli-
chen Koordinaten hängen ebenso einfach wie gemäss der speziellen
Relativitätstheorie mit unmittelbaren Messergebnissen zusammen, die mit Mass-
stäben und Uhren zu gewinnen sind, und es existiert die Minkowski’sche Invariante
dσ, welche durch die Pythagoreische Formel[50]
. . . ( )
gegeben ist. Diese ist für alle Orte eindeutig festgelegt, wenn nur ein für allemal
ein Einheitsmassstab gewählt ist.
Es ist daher klar, dass wir den in der vierdimensionalen Welt herrschenden me-
trischen Verhältnissen dadurch gerecht werden können, dass wir in der vierdimen-
sionalen raum-zeitlichen Welt allgemeine Gauss’sche Koordinaten
einführen, indem wir die Welt als einen vierdimensionalen Riemann’schen Raum
auffassen, in welchem die physikalisch eindeutig definierte, zu zwei benachbarten
Raum-Zeit-Punkten gehörige metrische Invariante durch die verallgemeinerte
X1, X2 ( )
ds2
dX1
2 dX22
+ =
X1, X2, X3, X4 [p. 33]
dσ2 dX1 2 dX2 2 dX3 2 dX4 2 + + + =
x1, x2, x3, x4
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