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Ehrenhaft hat durch sein unermüdliches Schaffen der Experimental-Physik neue
Wege
gewiesen.[3]
Der Grund dafür daß E. von so vielen Physikern abgelehnt wird,
liegt darin, daß seine theoretische Ausdeutung seiner eigenen Versuche Missbilli-
gung findet. Auch ich bin überzeugt, daß er sich in dieser Beziehung auf einem
Holzwege
befindet.[4]
Trotzdem bin ich dafür, dass E. die Stelle bekommt. Er ist ein lebhafter, produk-
tiver Geist, der sicherlich stets neues Leben in das Institut bringen wird. Er kann
experimentieren und ist unermüdlich in der Arbeit. Sein bischen Monomanie kann
man ihm verzeihen.
M v. H.
A. E.
ADft. [10 359].
[1]Dateline is in Ilse Einstein’s hand.
[2]In Doc. 313, Wettstein had requested Einstein’s opinion on Felix Ehrenhaft’s candidacy for a
position at the University of Vienna. For Einstein’s answer to Rudolf Wegscheider, see Doc. 302.
[3]After the third word in the sentence, the rest of the paragraph is in Ilse Einstein’s hand.
[4]For details of Einstein’s opinion on Ehrenhaft’s two contested findings, namely the “subelec-
tron” and the “negative photophoresis,” see Doc. 269.
324. From Erwin Freundlich
Neubabelsberg, Rathaus 21. Februar 1920
Lieber Einstein
Soeben erfahre ich, dass Sie Ihre Mutter verloren und finde so die Ahnung be-
stätigt, die mich gestern beschlich, als Sie nicht in die physikalische Gesellschaft
kamen.[1]
Ich kann Ihnen nicht mit konventionellen Worten mein Beileid ausdrük-
ken; aber Sie wissen selbst am besten, wie sehr alles, was Sie angeht, auch mich
beschäftigt und ich glaube, sehr gut ermessen zu können, was Sie mit Ihrer Mutter
verlieren, obwohl ich sie vor Jahren nur einmal kurz gesprochen habe. Obwohl Sie
wohl auf den Tod vorbereitet waren und er wirklich in diesem Falle als Erlöser
kam, so liegt doch in dieser Unstetigkeit, die der Tod bedeutet, eine gewisse Härte,
vor der wir erschrecken, und der man mit Logik nicht beizukommen vermag.
Mir tut es furchtbar leid, dass Sie solchen Erschütterungen ausgesetzt sind, ob-
wohl dieselben niemandem erspart werden können. Wem aber so wie Ihnen die Er-
scheinungen der Natur zum Erlebnis werden können, hat Blut und Energie genug
verausgabt und bedarf wieder einiger Jahre der Sammlung und Auffrischung. Und
darum wünschte ich Ihnen für die nächsten Jahre möglichst Ruhe und innere Sta-
bilität. Dazu wird Ihnen hoffentlich nicht so ganz unwesentlich sein zu wissen, dass
einige immer und unbedingt an Sie glauben. Ihr
Erwin Freundlich
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