D O C . 1 4 7 S P A C E A N D T I M E 2 5 7 und gar auf ihrer (intuitiven) Verbindung mit Komplexen elementarer Sinnes- Erlebnisse beruht. Auf dieser Verbindung beruht die Illusion, gemäss welcher uns das primitive Erlebnis unmittelbar etwas zu lehren scheint über Beziehung der (doch bloss gedachten) körperlichen Gegenstände zu einander. In dem angedeuteten Sinne haben wir das (indirekte) Erlebnis der „Berührung“ zweier Körper. Es genügt hierauf hinzuweisen, ohne dass es für unseren Zweck darauf ankommt, die Einzel-Erlebnisse herauszuschälen, auf welche bei dieser Aussage angespielt wird. Viele Körper können auf mannigfache Weise mit einan- der in dauernde Berührung gebracht werden. Man spricht in diesem Sinne von Lagen-Beziehungen der Körper. Von den allgemeinen Gesetzen derartiger Lagen- Beziehungen handelt im Wesen die Geometrie.[4] Dies gilt wenigstens dann, wenn man sich nicht darauf beschränken will, die in dieser Wissenschaft auftretenden Sätze nur als nach gewissen Grundsätzen hergestellte Beziehungen zwischen lee- ren Worten zu betrachten. Was ist nun aber die Bedeutung des Begriffes „Raum“, der sich schon im vor- wissenschaftlichen Denken findet? Charakteristisch für den Raum-Begriff des vorwissenschaftlichen Denkens ist der Satz: „Man kann sich die Dinge wegge- nommen denken, nicht aber den Raum, den sie erfülllen“. Es ist, wie wenn wir ohne jede Erfahrung einen Begriff, ja sogar eine Vorstellung vom Raume hätten, und wie wenn wir mit Hilfe dieses a priori vorhandenen Begriffes die Sinnen- Erlebnisse ordneten. Andererseits erscheint der Raum als physische Realität, als ein Ding, was unabhängig von unserem Denken existiert wie die körperlichen Objekte. Unter dem Einfluss dieser Auffassung vom Raume ging man sogar soweit, den Grundbegriffen der euklidischen Geometrie, Punkt, Gerade, Ebene einen evidenten Charakter zuzuschreiben. Den von diesen Gebilden handelnden Grundsätzen der Geometrie schrieb man notwendige Gültigkeit zu und zugleich objektiven Gehalt. Man trug kein Bedenken, Sätzen wie dem „drei empirisch vor- liegende (praktisch unendlich kleine) Körper liegen in einer Geraden“ objektiven Sinn zuzuschreiben, ohne für eine derartige Aussage eine physikalische Definition zu verlangen. Dieser blinde Glaube an Evidenz und unmittelbare reale Bedeutung der Begriffe und Sätze der Geometrie kam erst nach Aufstellung der nichteuklidi- schen Geometrien ins Wanken.[5] Geht man davon aus, dass alle räumlichen Begriffe sich auf die Berührungs- Erfahrungen fester Körper beziehen, so kann man die Entstehung des Begriffes „Raum“, d. h. die Setzung eines von den Körpern unabhängigen, die Lagerungs- möglichkeiten verkörpernden Dinges, wohl verstehen.[6] Hat man ein System sich berührender, relativ zu einander ruhender Körper, so kann man etliche derselben durch andere ersetzen. Diese Ersetzbarkeit wird als „verfügbarer Raum“ gedeutet.
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