2 5 6 D O C . 1 4 7 S P A C E A N D T I M E 147. Space and Time[1] [Berlin, before 3 January 1926][2] Raum. Alle unsere Gedanken und Begriffe werden durch Sinnes-Erlebnisse veranlasst und haben nur durch ihre Beziehungen auf jene Erlebnisse Bedeutung. Anderer- seits aber sind sie Ergebnisse spontaner Thätigkeit unseres Geistes, also keines- wegs logische Folgen aus den Inhalten jener Sinnes-Erlebnisse.[3] Wenn wir daher das Wesen eines Begriffs-Komplexes erfassen wollen, so müssen wir einerseits die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Begriffen und den auf diese bezügli- chen Aussagen, andererseits deren Beziehungen zu den Erlebnissen untersuchen. Hinsichtlich der Art der Verbindung der Begriffe untereinander und deren Beziehung zu den Erlebnissen besteht zwischen den Begriffssystemen der Wis- senschaft und denen des täglichen Lebens kein prinzipieller Unterschied. Die Begriffs-Systeme der Wissenschaft sind aus denen des täglichen Lebens heraus- gewachsen und sind modifiziert und ergänzt nach den besonderen Zielen und Zwecken der betreffenden Wissenschaft. Je allgemeiner nun ein Begriff ist, je häufiger er in unser Denken eingeht, und je indirekter seine Beziehung zum Sinnen-Erlebnis ist, desto schwieriger ist es uns, seine Bedeutung zu erfassen dies ist besonders dann der Fall, wenn es sich um vorwissenschaftliche Begriffe handelt, die wir von Jugend auf unaufhörlich benutzt haben. Man denke an die Begriffe, auf die sich die Wörtchen „wo“, „wann“, „warum“, „sein“ beziehen, zu deren Aufhellung unzählige Bände philo- sophischer Bücher geschrieben sind. Es geht uns dabei ähnlich, wie es einem Fische gehen mag, der sich darüber klar werden will, was Wasser sei. Wir haben es mit der Bedeutung des „wo“ zu thun, also mit dem Raume. Es scheint, dass in unseren einzelnen primitiven Sinneserlebnissen kein Charakter enthalten ist, der als „räumlich“ bezeichnet werden dürfte. Vielmehr erscheint das Räumliche als eine Art Ordnung der körperlichen Gegenstände der Erfahrung. Der Begriff „körperlicher Gegenstand“ muss also da sein, damit räumliche Begriffe möglich seien, er ist der logisch primäre Begriff. Man erkennt dies leicht, wenn man die räumlichen Begriffe wie z. B. „neben“, „berühren“ etc zu analysie- ren, d. h. sich ihres Erlebnis-Aequivalentes bewusst zu werden strebt. Der Begriff „Gegenstand“ ist ein Mittel, um der zeitlichen Persistenz bezw. Kontinuität gewisser Erlebnis-Komplexe gerecht zu werden. Die Existenz der Gegenstände ist also begrifflicher Art, wobei die Bedeutung der Begriffe von Gegenstände ganz
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