DOCUMENT
395
OCTOBER 1917
541
nigfaltigkeit erleben,
der
ganze
Reichtum
einzelner
unserer
Erfahrungen
im
mo-
mentanen
Zustand,
zum
Ausdruck
kommen.
Zunächst
ist
es
sicher,
dass wir bei der
optisch
räumlichen
Wahrnehmung, wenn
wir einen
Gegenstand
sehen,
eine Man-
nigfaltigkeit
streng
gleichzeitig
im Bewusstsein
haben,
denn sonst könnten wir
doch
nicht
davon
sprechen,
dass wir einen
Gegenstand
sehen,
sondern
hätten
bloss
einen
Farbenpunkt
im Bewusstsein.[9] Wären die
übrigen
Punkte
auch
nur
ein Mil-
lionstel Sekunde
früher oder
später
im
Bewusstsein,
so
hätten wir
nicht
den
opti-
schen Gesamteindruck. Die
vergangene Wahrnehmung
wäre
ja
in
der andern
Welt
des
vergangenen
Zustandes,
Aber
wir sehen doch
ganze ausgedehnte
räumliche
Bilder. Wir sehen aber
gleichzeitig
wohl ein
grösseres
Gebiet
deutlich,
als
jenes,
das in einem Moment
auf
die
Stelle des deutlichen Sehens ins
Auge
fällt,
was
wohl
physiologisch
so zu
erklären
ist,
dass wir das
Auge
sehr schnell
bewegen
und
die
einzelnen
Teilbilder sich
zusammensetzen,
sei
es
infolge
der
physiologischen
Nachwirkung
im
Auge
oder im Gehirn. Es ist
aber nicht
gut
und führt
nur
irre,
sich
durch solche
physiologische Ueberlegungen
überhaupt
bei der
Beurteilung
dessen
beeinflussen
zu lassen, was man
unmittelbar erlebt. Jedenfalls ist
aber das eine
"evident“
und
zwar
im
wörtlichen
Sinn,
dass wir eine
Mannigfaltigkeit gleichzeitig
sehen.
Aber
dies
erschöpft ganz
und
gar
nicht den
immensen
Reichtum
dessen,
was
sich
mit
Notwendigkeit
in
einem
momentanen Bewusstseinszustand finden
muss,
wenn
jene
feinen
Dinge
auch
schwer
zu
erhaschen sind. Es handelt sich
um
die in
unermesslicher
Mannigfaltigkeit abgestuften Färbungen,
die der Bewusstseinszu-
stand
von
den
vergangen genannten
aufweist. Am klarsten und einfachsten
ist
es,
wenn
wir die
Betrachtungen
dieser
Nachwirkungen
im Anschluss
an
die musikali-
sche
Auffassung durchnehmen,
obwohl dasselbe auch für die
Auffassung
des
ge-
sprochenen
Satzes
gilt,
doch
kommt
in diesem Falle die
Komplizierung
hinzu,
dass
man überhaupt
zuerst einsehen
muss,
dass dem Sinn
der
Worte etwas im unmittel-
baren Bewusstsein
entspricht.
Was also die Musik
betrifft, so
finden
Sie
auch auf
Seite 2
meiner
Abhandlung
kurz
auseinander
gesetzt,
dass wir keine
Vorstellung
einer
ganzen
Melodie
hätten, wenn
nicht
gleichzeitig
mit
jedem empfundenen
Ton
eine
ganz
bestimmte
Nachwirkung
von
den
vergangenen
Tönen im Bewusstsein
wäre.[10]
Wäre dies nicht der Fall,
so
hätten
wir
bloss eine isolierte Ton-
oder
Zu-
sammenklangsempfindung.
Diese
Nachwirkung
besteht
natürlich nicht in
der
an-
schaulichen
Vorstellung
der
vergangenen
Töne,
sonst hätten wir
ja
eine schreckli-
che
Dissonanzvorstellung,
sondern sie ist etwas
ganz Spezifisches.
Wenn Sie
über
diesen einfachen Sachverhalt etwas
nachdenken,
so
müssen Sie
einsehen,
was
für
eine
unermessliche
Mannigfaltigkeit
auf
das
feinste
verschieden
gefärbter
Be-
wusstseinszustände
es gibt
und
wie sehr sich ein
solcher
von
einem
Machschen
Element
unterscheidet.
Jeder
musikalischen
Folge von
noch
so grosser Länge,
die
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