5 4 2 D O C . 3 7 9 T R A V E L D I A R Y N O V E M B E R 1 9 2 2 ohne Baumwuchs. Die jetzige üppige Flora auf Honkong soll ganz von den Eng- ländern angelegt sein. Diese verstehen das Regieren bewunderungswürdig. Die Po- lizei wird durch importierte schwarze Inder von wunder barem Wuchs besorgt, niemals werden Chinesen verwendet. Für letztere haben die Engländer eine richti- ge Universität errichtet, um die in ihrer Lebenshaltung emporgestiegenen Chinesen an sich zu fesseln.[40] Wer macht ihnen das nach? Arme europäische Kontinentale, ihr versteht nicht, nationalen Gegenbewegungen durch Toleranz die Gefährlichkeit zu nehmen. 11. Nachts wunderbares Meeresleuchten. Die Kämme der Meereswogen leuch- teten bläulich soweit man sehen konnte. 14. Am 13. etwa 10 Uhr morgens Ankunft in Schanghai Fahrt an flachen, ma- lerisch gelbgrün beleuchteten Ufern entlang flussaufwärts.[41] Abschied von den zwei Schweizeroffizieren, deren einer aus Bern mir in liebenswürdigster Weise mein Pfeifchen geflickt hat und von chauvinistischem, aber sonst gutherzigem jun- gem Deutschen, ehemaligem Offizier. In Schanghai von Inagaki und Frau, unseren liebenswürdigen Begleitern Schanghai-Kobe,[42] vom Deutschen Konsul,[43] Herrn und Frau Pfister auf dem Schiff begrüsst.[44] Zuerst Journalisten, ein ansehnliches Häufchen japanische und amerikanische, die ihre gewohnten Fragen stellten. Dann mit Inagakis und zwei Chinesen (ein Journalist und Sekretär christlicher Chinesen- verbände) in chinesisches Restaurant geführt.[45] Während des Essens sahen wir zum Fenster hinaus eine geräuschvolle, farbige chinesische Beerdigung—eine et- was für unseren Geschmack barbarisch, fast drollig anmutende Angelegenheit. Das Essen höchst raffiniert, schier endlos. Man fischt unausgesetzt mit Stäbchen aus gemeinsamen Schüsselchen, die in grosser Anzahl auf dem Tisch stehen. Mein Inneres reagierte recht temperamentvoll, sodass es höchste Zeit war, als ich gegen 5 Uhr im Hafen (buchstäblich zu verstehen) des freundlichen Ehepaars Pfister lan- dete. Nach dem Essen bei herrlichem Wetter Spaziergang durch das Chinesenvier- tel. Strassen immer enger, wimmelnd von Fussgängern, Kuli-Personenwägelchen, starrend von Dreck aller Art, in der Luft ein Gestank von nicht endendem mannig- faltigem Wechsel. Eindruck von grässlichem Existenzkampf sanft und meist stumpf aussehender meist vernachlässigter Menschen. Nach der Strasse lauter of- fene Werkstätten und Länden, grosses Geräusch, aber nirgends Streit. Wir besuch- ten Theater, in jedem Stock besondere Vorstellung von Komikern.[46] Publikum stets dankbar, sehr ergötzlich, verschiedenstes Volk mit kleinen Kindern. Überall respektabler Dreck. Drin und draussen in dem schrecklichen Gewimmel ziemlich frohe Gesichter. Sogar die zu Pferdarbeit Degradierten machen nie den Eindruck bewussten Schmerzes. Merkwürdiges Herdenvolk, oft respektable Bäuchlein, im- mer gute Nerven, oft mehr Automaten als Menschen ähnelnd. Manchmal Neugier- [p. 14] [p. 14v]
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