DOC. 220 NON-EUCLIDEAN GEOMETRY 343 18 Albert Einstein, Nichteuklidische Geometrie und Physik nahm etwa ein Jahrhundert in Anspruch. Merkwürdigerweise hatte sie ihren Ursprung in rein mathematischen Untersuchungen, lange bevor das Gewand der euklidischen Geometrie der Physik zu eng [2] wurde. Zu den Aufgaben der Mathematiker gehört es, die Geometrie auf ein Minimum von Axiomen zu gründen. Unter den Axiomen von Euklid befand sich nun eines, das den Mathematikern weniger un- mittelbar einleuchtend schien als die Übrigen, und das sie deshalb lange Zeit hindurch auf die übrigen zuruckzufuhren, das heißt aus ihnen zu beweisen strebten. Es war dies das sogenannte Parallelenaxiom. Da alle Bemühungen, einen solchen Beweis zu liefern, scheiterten, mußte sich allmählich die Vermutung herausbilden, daß ein solcher Beweis unmöglich sei, das heißt, daß dieses Axiom von den übrigen unabhängig sei. Dies konnte dadurch bewiesen werden, daß man ein widerspruchsfreies logisches Gebäude errichtete, welches sich von der euklidischen Geometrie dadurch und nur dadurch unterschied, daß man das Parallelenaxiom durch ein anderes ersetzte. Diesen Gedanken selbständig gefaßt und überzeugend durchgeführt zu haben, bleibt das unvergängliche Verdienst von Lobatschewski einerseits, Bolyay (Vater und Sohn) andererseits. [3] So mußte sich bei den Mathematikern die Überzeugung festsetzen, daß es neben der euklidischen auch noch andere, logisch gleich- berechtigte Geometrien gäbe, und es konnte nicht ausbleiben, daß man die Frage stellte, ob denn der Physik notwendig gerade die euklidische Geometrie zugrunde gelegt werden müsse und keine andere. Man stellte auch wohl die Frage in der bestimmteren Form: Gilt in der physikalischen Welt die euklidische Geometrie oder eine andere? Darüber, ob diese letztere Frage einen Sinn habe, ist viel gestritten worden. Um hierüber klar zu sehen, muß man einen von zwei Stand- [4] punkten konsequent einnehmen. Entweder man nimmt an, daß der „Körper“ der Geometrie durch die festen Körper der Natur im Prinzip [5] verwirklicht sei, wenn nur bezüglich Temperatur, mechanische Bean- spruchung usw. gewisse Vorschriften innegehalten werden es ist dies der Standpunkt des praktischen Physikers. Dann entspricht der „Strecke“ der Geometrie ein Naturobjekt, und es gewinnen damit alle Sätze der Geometrie den Charakter von Aussagen über reale Körper. Dieser [6] Standpunkt wurde besonders klar von Helmholtz vertreten, und man kann hintufügen, daß ohne ihn die Aufstellung der Relativitätstheorie praktisch unmöglich gewesen wäre.