344 DOC. 220 NON-EUCLIDE AN GEOMETRY Albert Einstein, Nichteuklidische Geometrie und Physik 19 Oder aber man leugnet im Prinzip die Existenz von Gegenständen, welche den Grundbegriffen der Geometrie entsprechen. Dann enthält die Geometrie allein keine Aussagen über Gegenstände der Wirklich- keit, sondern nur die Geometrie mit der Physik zusammen. Dieser Standpunkt, welcher für die systematische Darstellung einer fertigen Physik der vollkommenere sein mag, wurde von Poincaré besonders klar vertreten. Von diesem Standpunkte aus ist der gesamte Inhalt [7] der Geometrie ein konventioneller welche Geometrie zu bevorzugen sei, hängt davon ab, eine wie „einfache“ Physik sich bei ihrer Be- nutzung im Einklang mit der Erfahrung aufstellen läßt. Wir wollen hier den ersten Standpunkt wählen als den dem gegen- wärtigen Stand unserer Kenntnis besser angemessenen. Von ihm aus [8] betrachtet hat unsere Frage nach der Gültigkeit oder Ungültigkeit der euklidischen Geometrie einen klaren Sinn. Die euklidische Geometrie und überhaupt die Geometrie behält zwar nach wie vor den Charakter einer mathematischen Wissenschaft, indem die Ableitung ihrer Sätze aus den Axiomen eine rein logische bleibt, aber sie wird zugleich zu einer physikslisch en Wissenschaft, indem die Axiome Behauptungen Über Natur-Objekte enthalten, über deren Zutreffen nur das Experiment entscheiden kann. Wir müssen uns aber stets der Tatsache bewußt sein, daß die Idealisierung, welche in der Fiktion des starren (Meß-) Körpers als eines Naturobjektes liegt, sich eines Tages als unberechtigt [9] oder doch als nur gegenüber gewissen Naturphänomenen berechtigt erweisen könnte. Die allgemeine Relativitätstheorie hat die Nicht- berechtigung dieses Begriffes für Räume von solcher Ausdehnung be- reits erwiesen, die nicht im astronomischen Sinne klein sind. Die Theorie der elektrischen Elementarquanta könnte die Nichtberechtigung des Begriffes für Ausdehnung atomistisch er Größenordnung erweisen. Beides hat bereits Riemann als möglich erkannt. Riemanns Verdienst um die Entwicklung unserer Ideen über die Beziehungen zwischen Geometrie und Physik ist ein zweifaches. Erstens hat er die sphärisch elliptische Geometrie erfunden, welche zu der [10] hyperbolischen Lobatschewskis das Gegenstück bildet. Er hat so zum erstenmal die Möglichkeit dargetan, daß der geometrische Raum von im metrischen Sinne endlicher Ausdehnung sein könnte. Diese Idee wurde alsbald verstanden und bat zu der oft erwogenen, Fragestellung geführt, ob der physikalische Raum nicht endlich sei. Zweitens aber halte Riemann den kühnen Gedanken, eine Geometrie zu schaffen, die unvergleichlich allgemeiner ist als diejenige Euklids