D O C . 6 R E V I E W O F M E Y E R S O N S B O O K 5 3 Aber die Meinung, dass dadurch das Relativitätsprinzip als solches zu Fall ge- bracht werden könnte, dürfte kaum ernsthaft in Erwägung zu ziehen sein. Dies sei jedoch nur beiläufig erwähnt.[10] Für Meyerson war es wichtig, dass das Gedankensystem der Physik durch die Anpassung an das Relativitätsprinzip in viel höherem Grade als bisher den Charakter eines logisch geschlossenen deduktiven Systems erhalten hat. Meyerson tadelt nicht diesen stark deduktiv-konstruktiven, höchst abstrakten Charakter der Theorie, sondern findet, dass dieser Charakter der Tendenz der ganzen Entwicklung der exakten Wissenschaft entspreche diese ver- zichtet immer mehr auf Bequemlichkeit der Grundlagen und Methoden (in psycho- logischem Sinne), um Einheitlichkeit des ganzen Systems in logischem Sinne zu erzielen. Dieser deduktiv-konstruktive Charakter veranlasst Meyerson die Relativitäts- theorie in sehr geistreicher Weise mit Hegels und mit Descartes’ System zu verglei- chen. Der Erfolg aller drei Theorien bei den Zeitgenossen wird auf die logische Geschlossenheit, den deduktiven Charakter zurückgeführt der menschliche Geist will nicht nur Beziehungen aufstellen sondern er will begreifen.[11] Den Vorzug der Relativitätstheorie vor den beiden genannten Theorien sieht Meyerson in der quan- titativen Durchbildung und in der Anpassung an viele Erfahrungsthatsachen. In Descartes’ Theorie des physikalischen Geschehens sieht Meyerson noch eine we- sentliche Gemeinschaft mit der Relativitätstheorie, nämlich die Zurückführung al- ler Begriffe der Theorie auf räumliche bezw. geometrische Begriffe bei der Relativitätstheorie soll dies allerding erst nach Einordnung des elektrischen Feldes nach Art der Weylschen bezw. Eddington’ Theorie vollständig zutreffen. Auf diesen letzteren Punkt möchte ich näher eingehen, weil ich hier entschieden anderer Meinung bin. Ich kann nämlich nicht zugeben, dass die Behauptung, die Relativitätstheorie führe die Physik auf Geometrie zurück einen klaren Sinn habe.[12] Man kann mit mehr Recht sagen, dass die Relativitätstheorie es mit sich gebracht habe, dass die (metrische) Geometrie gegenüber den Gesetzmässigkeiten, welche man stets als physikalische bezeichnet habe, ihre Sonder-Existenz einge- büsst habe.[13] Auch vor der Aufstellung der Relativitätstheorie war es unrechtfer- tigt, die Geometrie gegenüber der Physik als eine Lehre „a priori“ zu betrachten. Dies kam nur daher, dass man meist vergessen hatte, dass die Geometrie die Lehre von den Lagerungsmöglichkeiten starrer Körper sei. Gemäss der allgemeinen Re- lativitätstheorie bestimmt der metrische Tensor das Verhalten der Masskörper und Uhren sowie die Bewegung frei beweglicher Körper bei Abwesenheit elektrischen Wirkungen. Dass man diesen metrischen Tensor als „geometrisch“ bezeichnet hängt einfach damit zusammen, dass das betreffende formale Gebilde zuerst in der als „Geometrie“ bezeichneten Wissenschaft aufgetreten ist. Dies rechtfertigt es aber keineswegs, dass man jede Wissenschaft, in welcher jenes formale Gebilde eine Rolle spielt, als „Geometrie“ bezeichnet, auch dann nicht, wenn man sich bei
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