D O C . 6 R E V I E W O F M E Y E R S O N S B O O K 5 1 6. Review of Émile Meyerson’s La déduction relativiste [Berlin, before 15 June 1927][1] EMILE MEYERSON, LA DEDUCTION RELATIVISTE Was an diesem Buche so einzigartig ist, lässt sich leicht sagen. Es ist von einem Manne geschrieben, der die Gedankenwege der modernen Physik erfasst hat, und der in die Geschichte der Philosophie und der exakten Wissenschaften tief einge- drungen ist, mit einem sicheren Blick für die psychologischen Triebfedern und Zu- sammenhänge. Logische Schärfe, psychologischer Instinkt, vielseitiges Wissen und schlichter Ausdruck sind hier glücklich vereinigt. Meyersons leitender Grundsatz scheint mir der zu sein. Erkenntnistheorie kann nicht durch Analyse des Geistes und logische Spekulation gewonnen werden, son- dern nur durch Betrachtung und intuitive Erfassung des empirischen Materials. „Empirisches Material“ ist dabei die thatsächlich vorliegende Gesamtheit wissen- schaftlicher Ergebnisse und die Geschichte ihrer Entstehung.[2] Dem Verfasser scheint als Hauptproblem dieses vorgeschwebt zu haben: In welchem Verhältnis steht die wissenschaftliche Erkenntnis zum dem Inbegriff der Erfahrungsthatsa- chen? Inwiefern kann man von einer induktiven, inwiefern von einer deduktiven Methode der Wissenschaft sprechen? Der reine Positivismus und Pragmatismus wird abgelehnt, ja sogar leidenschaft- lich bekämpft. Erlebnisse bezw. Erfahrungsthatsachen liegen zwar jeglicher Wis- senschaft zugrunde, bilden aber nicht ihren Inhalt, ihr Wesen, sondern nur das Gegebene, auf das sich die Wissenschaft bezieht. Blosse Konstatierung von empi- rischen Zusammenhängen zwischen experimentellen Thatsachen kann nach dem Verfasser nicht als alleiniges Ziel der Wissenschaft hingestellt werden. Erstens nämlich sind Zusammenhänge so allgemeiner Art, wie sie sich in unseren Natur- gesetzen ausdrücken, überhaupt nicht blosse Konstatierung von Erlebbarem sie sind überhaupt erst formulierbar und ableitbar auf Grund einer begrifflichen Kon- struktion, welche aus der Erfahrung als solcher nicht gewonnen werden kann. Zweitens aber begnügt sich die Wissenschaft nicht mit der Formulierung von Er- fahrungsgesetzen. Sie sucht vielmehr ein auf möglichst wenigen Prämissen ruhen- des logisches System aufzubauen, welches alle Naturgesetze als logische Konsequenzen enthält. Dieses System, bezw. in diesen auftretende Gebilde werden den Gegenständen der Erfahrung zugeordnet die Vernunft sucht dieses System, welches der Welt der realen Dinge der vorwissenschaftlichen Weltanschauung ent- sprechen soll, so aufzustellen, dass es der Gesamtheit der Erfahrungsthatsachen
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