5 2 D O C . 6 R E V I E W O F M E Y E R S O N ’ S B O O K bezw. Erlebnisse entspricht. Aller Naturwissenschaft liegt also ein philosophischer Realismus zugrunde.[3] Die Zurückführung aller Erfahrungsgesetze auf logisch Deduzierbares ist nach Meyerson letztes Ziel alles wissenschaftlichen Forschens— ein Ziel nach dem wir immer streben, und von dem wir doch dunkel überzeugt sind, dass wir es nur unvollständig erreichen können. In diessem Sinne ist Meyerson Rationalist und nicht Empirist. Er unterscheidet sich aber auch vom kritischen Idealismus im Sinne Kants. Denn von keinem Zuge des gesuchten Systems wissen wir a priori, dass er diesem vermöge der Natur un- seres Denkens notwendig eigen sein müsse. Dies gilt auch von den Formen der Logik und von der Kausalität. Wir können nur fragen, wie das System der Wissen- schaft (in seinen bisherigen Entwicklungszuständen) beschaffen ist, aber nicht wie es beschaffen sein muss. Die logischen Grundlagen des Systems sowie seine Struk- tur sind also (vom logischen Standpunkte aus) konventionell ihre Berechtigung liegt einzig in der Leistung des Systems gegenüber den Thatsachen seiner Einheit- lichkeit und der geringen Zahl seiner Prämissen.[4] Meyerson sieht in der Relativitätstheorie ein gegenüber der bisherigen Physik neues deduktives System der Physik er bezeichnet es—um seine Neuheit formell zu kennzeichnen—als “Relativismus”. Hiermit ist er nach meiner Meinung zu weit gegangen.[5] Die Relativitätstheorie beansprucht keineswegs ein neues Sy- stem der Physik zu sein.[6] Ausgehend von der durch Erfahrungen über Licht, Träg- heit und Gravitation nahegelegten Meinung dass es keinen physikalisch bevorzugten Bewegungszustand gebe (Relativitätsprinzip), stellt sie das formale Prinzip auf, dass die Gleichungen der Physik bezüglich beliebiger Punkttransfor- mationen des vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums kovariant sein sollen.[7] Diesem Prinzip passt sie die Grundgesetze der Physik—so wie sie vorher bekannt waren, mit möglichst geringen Aenderungen an. Das Relativitäts- bezw. Kovari- anz-Prinzip für sich alleine wäre eine viel zu schmale Basis, um auf ihm alleine das Gebäude der theoretischen Physik zu errichten. Man kann also wohl eher von einer „dem Relativitätsprinzip angepassten Physik“ als von „Relativismus“ als ei- nem neuen System der Physik sprechen. Dadurch, dass Meyerson den weniger be- hauptenden allgemeinen Anspruch des „Relativitätsprinzips“ mit dem viel weitergehenden des „Relativismus“ identifiziert, kommt er nach meiner Ansicht zu einem nicht ganz zutreffenden Standpunkt bezüglich des Neuheits-Wertes und bezüglich des Anspruches der Theorie auf bleibende Bedeutung. Nicht die ganze Theorie sondern nur die Anpassung an das Relativitätsprinzip ist neu.[8] An- dererseits erscheint das Relativitätsprinzip für sich genommen durch den Charakter der Erfahrung als viel gesicherter als der dem bisherigen physikalischen Wissen angepasste formale Aufbau der Theorie. Wir wissen heute nicht, aber wir befürch- ten, dass die Begriffe „Metrisches Feld“ und „elektromagnetisches Feld“ den That- sachen der Quantentheorie gegenüber sich als nicht genügen erweisen werden.[9]