280 DOC. 29 ERNST
MACH
Physik.
Zeitschr.
XVII,
1916.
Ernst Mach
+. 103
genaues
oder
ungleiches
Maß der
Dauer,
dessen
man
sich
gewöhnlich
statt
der wahren Zeit
be-
dient, wie
Stunde,
Tag, Monat, Jahr."
Mach:
"....
Wenn ein
Ding
A sich mit
der
Zeit
ändert,
so
heißt dies
nur,
die
Umstände
eines
Dinges
A
hängen
von
den
Umständen
eines andern
Dinges
B
ab.
Die
Schwingungen
eines Pendels
gehen
in
der
Zeit
vor,
wenn
dessen Exkursion
von
der
Lage
der Erde
ab-
hängt.
Da wir
bei
Beobachtung
des Pendels
nicht auf die
Abhängigkeit von
der
Lage
der
Erde
zu
achten brauchen, sondern dasselbe mit
irgendeinem
anderen
Ding vergleichen
können
(....),
so
entsteht leicht die
Meinung,
daß
alle
diese
Dinge
unwesentlich
seien....
Wir sind
außerstande, die
Veränderungen
der
Dinge
an
der Zeit
zu messen.
Die
Zeit
ist vielmehr eine
Abstraktion,
zu
der
wir
durch die
Veränderung
der
Dinge gelangen, weil
wir auf kein bestimmtes
Maß
angewiesen sind,
da eben
alle
unterein-
ander
zusammenhängen."
Newton:
"Der
absolute
Raum
bleibt
ver-
möge
seiner Natur und ohne
Beziehung
auf einen
äußeren
Gegenstand stets gleich
und
unbeweglich."
"Der
relative Raum ist ein Maß oder ein
beweglicher
Teil des
ersteren,
welcher
von
un-
seren Sinnen,
durch seine
Lage gegen
andere
Körper
bezeichnet
und
gewöhnlich
für
den
un-
beweglichen
Raum
genommen
wird."
Dann
folgt
eine
entsprechende
Definition
der
Begriffe
"absolute
Bewegung"
und
"relative
Bewegung".
Hierauf:
"Die
wirkenden
Ursachen,
durch welche ab-
solute und relative
Bewegung
voneinander
ver-
schieden
sind,
sind die Fliehkräfte
von
der
Achse
der
Bewegung.
Bei
einer
nur
relativen Kreis-
bewegung
existieren diese Kräfte
nicht,
aber
sie
sind kleiner oder
größer,
je
nach Verhältnis der
Größe der
(absoluten) Bewegung."
Es
folgt
nun
die
Beschreibung
des
wohl-
bekannten
Eimerversuches,
welcher die letzte
Behauptung
anschaulich
begründen
soll.
Die
Kritik,
welche Mach diesem
Standpunkte
zuteil
werden
läßt,
ist sehr
interessant;
ich
zitiere
aus
derselben
einige
besonders
prägnante
Stellen.
"Wenn
wir
sagen,
daß
ein
Körper
K
seine
Richtung
und
Geschwindigkeit nur
durch den
Einfluß eines anderen
Körpers
K'
ändert,
so
können wir
zu
dieser Einsicht
gar
nicht
kommen,
wenn
nicht andere
Körper
A, B,
C
...
vor-
handen
sind, gegen
welche wir die
Bewegung
des
Körpers
K
beurteilen. Wir erkennen also
eigentlich
eine
Beziehung
des
Körpers
K
zu
A,
B,
C....
Wenn wir
nun plötzlich von A,
B, C
...
absehen,
und
von
einem Verhalten
des
Körpers
K
im absoluten Raume
sprechen
wollten,
so
würden wir einen
doppelten
Fehler
begehen.
Einmal könnten wir nicht
wissen,
wie
sich K
bei
Abwesenheit
von A, B,
C
...
be-
nehmen
würde,
dann aber würde
uns jedes
Mittel
fehlen,
das Benehmen des
Körpers
K
zu
beurteilen,
und
unsere Aussage
zu
prüfen,
welche
demnach keinen naturwissenschaftlichen Sinn
hätte."
"Die Bewegung
eines
Körpers
K kann immer
nur
beurteilt werden in
bezug
auf andere
Körper
A, B,
C....
Da wir immer eine
genügende
Anzahl
gegeneinander
relativ
festliegender
oder
ihre
Lage
nur
langsam
ändernder
Körper
zur
Verfügung
haben,
so
sind
wir
hierbei auf keinen
bestimmten
Körper angewiesen,
und können
bald
von
diesem,
bald
von
jenem
absehen. Hier-
durch entstand die
Meinung,
daß diese
Körper
überhaupt gleichgültig
seien."
"Der
Versuch
Newtons
mit dem rotierenden
Wassergefäß
lehrt
nur,
daß
die
Relativdrehung
des Wassers
gegen
die
Gefäßwände
keine
merklichen
Zentrifugalkräfte
weckt,
daß
die-
selben aber durch die
Relativdrehung gegen
die
Masse der Erde
und
die
übrigen Himmelskörper
geweckt
werden. Niemand kann
sagen,
wie
der Versuch verlaufen würde,
wenn
die Gefäß-
wände immer dicker und
massiger
und zuletzt
mehrere Meilen
dick würden
..."
Die
zitierten
Zeilen zeigen,
daß Mach die
schwachen Seiten der klassischen Mechanik
klar
erkannt hat und nicht weit davon
entfernt
war,
eine
allgemeine
Relativitätstheorie
zu
fordern,
und dies schon
vor
fast einem
halben
Jahr-
hundert! Es ist
nicht
unwahrscheinlich,
daß
[4]
Mach auf
die
Relativitätstheorie
gekommen
wäre,
wenn
in der
Zeit,
als
er jugendfrischen
Geistes
war,
die
Frage
nach der
Bedeutung
der
Konstanz der
Lichtgeschwindigkeit
schon die
Physiker bewegt
hätte. Beim Fehlen dieser
aus
der
Maxwell-Lorentzschen
Elektrodyna-
mik fließenden
Anregung reichte auch Machs
kritisches Bedürfnis
nicht
hin,
um
das Gefühl
der
Notwendigkeit
einer Definition der Gleich-
zeitigkeit
örtlich distanter
Ereignisse
zu
erwecken.
[5]
Die
Betrachtungen
über Newtons
Eimer-
versuch
zeigen,
wie
nahe seinem Geiste
die
Forderung
der Relativität im
allgemeineren
Sinne
(Relativität
der
Beschleunigungen)
lag.
Aller-
dings
fehlt hier das lebhafte Bewußtsein
davon,
daß die
Gleichheit der
trägen
und schweren
Masse der
Körper
zu
einem
Relativitätspostulat
im
weiteren Sinne
herausfordert,
indem wir
nicht
imstande
sind,
durch Versuche darüber
zu
entscheiden,
ob
das Fallen der
Körper
relativ
zu
einem
Koordinatensystem
auf das Vorhanden-
sein eines
Gravitationsfeldes oder auf einen
Be-
schleunigungszustand
des
Koordinatensystems
zurückzuführen sei.
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