DOC.
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ERNST MACH
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Wereide,
Statistisch-mechan.
Grundlage d. allg. Quantentheorie. Physik.
Zeitschr.
XVII,
1916.
Mach
war
seiner
geistigen Entwicklung
nach
nicht ein
Philosoph,
der sich die Naturwissen-
schaften
als
Objekt
seiner
Spekulationen wählte,
sondern ein
vielseitig
interessierter,
emsiger
Naturforscher,
dem die
Erforschung
auch ab-
seits
vom Brennpunkte
des
allgemeinen
Inter-
esses
gelegener Detailfragen
sichtlich
Vergnügen
[6]
machte. Hiervon
zeugen
die
schier unzählbaren
Einzeluntersuchungen aus
dem Gebiete der
Physik
und
empirischen Psychologie,
die
er
teils
allein,
teils
zusammen
mit Schülern
publizierte.
Von
seinen
physikalischen Experimentalunter-
suchungen
sind
diejenigen
über die
Schallwellen,
welche
von
Geschossen
erzeugt
werden,
am
be-
kanntesten
geworden.
War auch der dabei
verwendete
Grundgedanke
nicht
prinzipiell neu,
so
zeigten
doch diese
Untersuchungen
von
außer-
gewöhnlicher
experimenteller Begabung.
Es
ge-
lang
ihm,
die
Dichteverteilung
der Luft in der
Umgebung
eines mit
Über-Schallgeschwindigkeit
fliegenden
Geschosses
photographisch
aufzu-
nehmen
und
so
über eine
Gattung
akustischer
Vorgänge
Licht
zu
verbreiten,
über welche
man
vor
ihm nichts
wußte. Sein
populärer Vortrag
hierüber
wird
jedem
Freude
machen,
der
an
[7]
physikalischen Dingen
Freude
haben kann.
Machs
philosophische
Studien
entspringen
einzig
dem
Wunsche,
einen
Standpunkt
zu
ge-
winnen,
von
dem
aus
die
verschiedenen
wissen-
schaftlichen
Fächer,
denen
er
seine Lebensarbeit
gewidmet hatte, als
ein einheitliches Streben sich
auffassen
ließen. Alle
Wissenschaft
faßt
er
als
Streben nach
Ordnung
der elementaren Einzel-
erfahrungen auf,
die
er
als
"Empfindungen"
bezeichnete. Diese
Wortbezeichnung
brachte
es
wohl mit
sich,
daß der nüchterne und vorsich-
tige
Denker
von
solchen,
die sich nicht
ein-
gehend
mit seinen Werken befaßten, öfter für
einen
philosophischen
Idealisten und
Solipsisten
gehalten
wurde.
Beim Lesen der Machschen Werke fühlt
man angenehm
das
Behagen,
das der Autor
beim mühelosen Niederschreiben seiner
prä-
gnanten,
treffenden Sätze
gefühlt
haben muß.
Aber nicht
nur
intellektuelles
Vergnügen
und
Freude
am
guten
Stil
machen die Lektüre seiner
Bücher immer wieder
so
anziehend,
sondern
auch die
gütige,
menschenfreundliche und
hoffnungsfrohe Gesinnung,
die oft zwischen den
Zeilen hervorschimmert,
wenn er
über
allgemein
menschliche
Dinge
redet. Diese
Gesinnung
schützte ihn auch
vor
der
Zeitkrankheit,
von
der
heute
wenige
verschont
sind,
vor
dem nationalen
Fanatismus. In seinem
populären
Aufsatze
"Über
Erscheinungen
an
fliegenden Projektilen"
hat
er
es
sich nicht
versagen
können,
im letzten
Ab-
satze
seiner
Hoffnung
auf eine
Verständigung
der Völker Ausdruck
zu
geben.
[8]
(Eingegangen
14.
März
1916.)
ORIGINALMITTEILUNGEN.
Die statistisch-mechanische
Grundlage
der
allgemeinen Quantentheorie1).
Von Th. Wereide.
Wenn
die
Energie
eines
physikalischen
Sy-
stems
durch
die
Werte der
Hamiltonschen
Koordinate
p1
...
pn
q1...qn
bestimmt
ist,
so
geht
man
in
der Statistik
in
der
Weise
vor,
daß
man
diese Koordinaten
in
einem
2n-dimensionalen
Koordinatensystem
zu-
sammenstellt. Der durch
die
2n
Koordinaten
definierte
2n-dimensionale
Raum
wird
dann in
überall
gleich
große
Raumteilchen, sogenannte
Elementargebiete,
geteilt, jedes
Raumelement
von
der Größe
dr
=
dp1
...
dpndq1
...
dqn.
Der Unterschied
zwischen
der älteren Statistik
und
der
modernen,
der
Quantentheorie, ist
nun
einfach der
folgende:
1)
Zusammengefaßte Darstellung der gleichlautenden
Abhandlung
in Ann.
d. Physik
1916.
In der klassischen
Statistik
spielt
das Element
dr
lediglich
die Rolle eines
Integrationselementes,
und die statistischen Formeln
sollen die
größte
Genauigkeit bekommen,
wenn man
dr
unendlich
klein macht. Man bekommt dann
Formeln,
welche
in
einigen
Fällen,
z.
B. bei
der
spezi-
fischen
Warme der
Gase,
vollkommen mit der
Erfahrung
übereinstimmen,
in anderen Fällen
dagegen,
z.
B. im
Falle
der schwarzen
Strahlung,
mit den
experimentellen
Tatsachen
in
offenbarem
Widerspruch
sind.
Durch die
Quantentheorie
wird
nun
diese
Schwierigkeit ganz
einfach in der Weise über-
wunden,
daß
man
in den Formeln der klassi-
schen Statistik das
Elementargebiet
dr
nicht
unendlich klein
macht,
sondern ihm
eine solche
Größe
gibt,
daß die Formeln mit der
Erfahrung
übereinstimmen.
Dieser scheinbaren Willkürlichkeit
gegen-
über
dem Element
dr
hat
man vergebens
ver-
sucht eine
physikalische
Begründung
zu
geben.
Eine
solche
Begründung
wäre die
Annahme,
daß
die
Endlichkeit
von
dr
auf eine
diskon-