2 0 6 D O C . 2 5 W H AT I S T H E T H E O R Y O F R E L AT I V I T Y ?
25. “What Is the Theory of Relativity?”
[before 28 November
1919][1]
Was ist Relativitäts-Theorie?
áDer Aufforderungñ Dem Ersuchen Ihres Mitarbeiters, für die „Times“ etwas
über „Relativität“ zu schreiben, komme ich gerne nach. Denn nach dem beklagens-
werten Zusammenbruch der früheren regen internationalen Beziehungen der
Gelehrten ist mir dies eine willkommene, ja die einzige áVeranlassungñ Gelegen-
heit, meinem Gefühl der Freude und Dankbarkeit den englischen Astronomen und
Physikern gegenüber auszusprechen. Es entspricht ganz den grossen und stolzen
Traditionen der wissenschaftlichen Arbeit in Ihrem Lande, dass áIhre besten Män-
ner ihrerñ bedeutende Forscher viel Zeit und Mühe, Ihre wissenschaftlichen Insti-
tute grosse materielle Mittel
aufwendeten,[2]
um eine Folgerung einer Theorie zu
prüfen, die im Lande Ihrer Feinde während des Krieges vollendet und publiziert á,
wenn auch nichtñ worden ist. Wenn es sich bei der Untersuchung des Einflusses des
Gravitationsfeldes der Sonne auf die Lichtstrahlen auch um eine rein objektive
Angelegenheit handelte, so ákann ich doch nicht andersñ drängt es mich doch, den
englischen Fachgenossen auch meinen persönlichen Dank für ihr Werk zu sagen;
denn ohne dasselbe hätte ich die Prüfung der wichtigsten Konsequenz meiner
Theorie wohl nicht mehr
erlebt.—[3]
Man kann in der Physik Theorien verschiedener Art unterscheiden. Die áTheo-
rien erster Art nenne ichñ meisten sind konstruktive Theorien. Diese suchen aus
einem relativ einfachen zu grunde gelegten Formalismus ein Bild der komplexeren
Erscheinungen zu konstruieren. So sucht die kinetische Gastheorie die mechani-
schen, thermischen und Diffusionsvorgänge auf Bewegungen der Moleküle zu-
rückzuführen, d. h. aus der Hypothese der Molekularbewegung zu konstruieren.
Wenn man sagt, es sei gelungen, eine Gruppe von Naturvorgängen zu begreifen, so
meint man damit immer, dass eine konstruktive Theorie gefunden sei, die die be-
treffenden Vorgänge umfasst.
Es gibt aber neben dieser wichtigsten Klasse von Theorien eine zweite, ich will
sie Prinzip-Theorien nennen. Diese bedienen sich nicht der synthetischen sondern
der analytischen Methode. Ausgangspunkt und Basis bilden nicht hypothetische
Konstruktionselemente sondern empirisch gefundene allgemeine Eigenschaften
der Naturvorgänge (Prinzipe), aus denen dann mathematisch formulierte Kriterien
folgen, denen die einzelnen Vorgänge bezw. deren theoretische Bilder zu genügen
haben. So sucht die Thermodynamik aus dem allgemeinen Erfahrungsresultat, dass
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