2 9 4 D O C . 3 5 D E F E N S E T H R O U G H K N O W L E D G E
35. “Anti-Semitism. Defense through Knowledge”
[after 3 April
1920][1]
Antisemitismus.
Abwehr durch Erkenntnis.
áGlauben verängstigteñ Hoffen deutsche Juden, den Antisemitismus noch immer
damit bekämpfen zu können, dass sie die menschlichen Zusammenhänge mit den
Juden der Welt leugnen und sich der Oeffentlichkeit als “deutsche Staatsbürger
mosaischer Konfession” empfehlen? Fast sieht es so aus, wenn man die immer wie-
derholten Beteuerungen dieser Juden hört, dass sie sich nur durch den Glauben von
ihrer Umgebung unterscheiden. Und doch liegt in diesem merkwürdigen Geständ-
nis über das eigene Wesen für den Nichtjuden etwas Komisches, und woran liegt
das? Der Nichtjude sieht im Juden den jüdischen Menschen, den Sohn des jüdi-
schen Volks, und nicht den Bekenner irgendeiner ihm gleichgültigen religiösen
Auffassung. áEr hört infolgedessen nun das heraus, was der Jude nicht bekennen
will, die Zugehörigkeit zum Volke.ñ Besonders peinlich wirkt die breitspurige Be-
zeichnung “deutscher Staatsbürger”, weil ja doch so ziemlich jeder Mensch, den
man hier zu Lande auf der Strasse trifft, ein “deutscher Staatsbürger” ist. Die Ab-
sicht, die diese jüdischen Staatsbürger mit ihrer naiven Erklärung erreichen wollen,
erreichen sie leider nur bei Juden und nur selten bei Nichtjuden, die sich durch ir-
gendeine Etiquettierung des jüdischen Menschen nicht täuschen lassen. Für sie
bleibt der Jude ein Jude, gleichgültig, mit welchem Programm er auftritt. Die mo-
saische Konfession wirkt auf den Antisemiten genau so jüdisch wie die jüdische
Nationalität áund wie jedeñ oder irgendeine andere Formel, die sich Juden als Be-
zeichnung ihres Judentums ausdenken mögen.
Die psychologische Wurzel des Antisemitismus liegt darin, dass die Juden eine
Menschengruppe eigener Art sind. Man sieht ihren Körpern den Juden an, und man
merkt an ihrer geistigen Produktion die jüdische Abstammung, und man fühlt, dass
es unter ihnen tiefe Zusammenhänge des Gemüts und zahlreiche Verständigungs-
möglichkeiten gibt, die auf der gleichen Art zu denken und zu fühlen
beruhen.[2]
Diese menschlichen Unterschiede empfindet schon das jüdische Kind, wenn es zur
Schule kommt. Oft genug fühlten die aus instinktivem Fremdheitsgefühl entstan-
dene Abneigung, der häufig ein dem natürlichen Empfinden entsprechender Zu-
sammenschluss der jüdischen Kinder gegenübersteht.
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