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Spreche ich beispielsweise von der Länge l eines Stabes, so will ich sagen, dass
man den zu Grunde gelegten Einheitsmassstab l mal an demselben abtragen kann.
Sage ich, die kartesischen Koordinaten eines Punktes seien x, y, z, so behaupte ich
zunächst, dass man aus gleich langen Stäben, indem man sie mit ihren Enden pas-
send anneinanderlegt, ein ákubischesñ Würfel-Gitter konstruieren kann, dass sich
also (starre) Stäbe wie Strecken der euklidischen Geometrie verhalten. Sodann
nehme ich ein solches Gitter von bestimmtem Bewegungszustande als gegeben an,
definiere einen Punkt als Nullpunkt und die kartesischen Koordinaten in bestimm-
ter Weise durch an diesem Gitter zu gewinnende Abzählungen.
Spreche ich von der Zeitdauer eines Vorganges so verstehe ich als Physiker dar-
unter die Anzahl der Perioden, welche die zugrunde gelegte Uhr zwischen Anfang
und Ende des Vorganges zurückgelegt hat. (Vorläufige, unscharfe Definition).
Wohl dürfen in einer physikalischen Theorie auch mathematische Grössen
auftreten, die dieser Bedingung nicht genügen; es sind dies dann Hilfsparameter,
welche keine andere Bedeutung haben, als den Ausdruck der Gesetze in gewissen
Fällen zu vereinfachen oder das theoretische Gebäude zu vereinheitlichen. Von
wichtigen derartigen Fällen wird später die Rede sein.
7) Relativität der
Gleichzeitigkeit.[17]
Der Gedanke, welcher aus dem unter 5) dar-
gelegten Dilemma herausführte, hängt mit folgender Frage zusammen. Es seien A
und B zwei Punkte des Koordinatensystems K. In jedem dieser Punkte finde ein
momentanes Ereignis statt. Wir sagen ferner aus, dass diese beiden Ereignisse
gleichzeitig seien. Hat diese Aussage einen bestimmten Sinn? Wenn ja, welches ist
dieser Sinn?
Zuerst glaubt jeder, mit der Gleichzeitigkeits-Aussage einen unmittelbaren Sinn
verbinden zu können; aber diese Sicherheit beruht auf einem tief eingewurzelten
und durch die Erfahrung nahe gelegten Vorurteil. Für die meisten Zwecke kommt
man nämlich mit der Festsetzung aus: zwei Ereignisse sind gleichzeitig, wenn sie
ein Beobachter gleichzeitig sieht. Sind nämlich die Orte beider Ereignisse nicht gar
zu entfernt voneinander, so wird das gleichzeitige Sehen beider Ereignisse vom
Standorte des Beobachters nahezu unabhängig sein; das Licht hat eine Fortpflan-
zungsgeschwindigkeit, die den meisten Erfahrungen gegenüber einer unendlich
grossen Geschwindigkeit äquivalent ist. Das Licht liefert praktisch Momentan-
Signale; es verkörpert für die tägliche Erfahrung mit hinlänglicher Schärfe die
Gleichzeitigkeit. Allein aus diesem Grunde sind wir geneigt, der Aussage der
Gleichzeitigkeit örtlich distanter Ereignisse einen unmittelbaren Sinn zu geben.
Würden zwischen den Orten A und B keinerlei physikalische Wechselwirkungen
stattfinden, so wäre es andererseits überhaupt unmöglich, die in A stattfindenden
Vorgänge mit den in B stattfindenden zeitlich zu verknüpfen. Es ist also klar, dass
wir eine physikalische Definition der Gleichzeitigkeit nur dadurch gewinnen
[p. 7]
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