lxiv BEITRAG FÜR SEIN LEBENSBILD Handlungsweise, er aber erklärte ihnen nachdrücklichst, dass er nicht mehr nach München zurückkehren würde u. beruhigte sie über seine Zukunft, indem er ihnen aufs bestimmteste versicherte, er werde sich autodidaktisch bis zum Herbst des gleichen Jahres für die Aufnahmeprüfung des Polytechnikums Zürich vorbereiten.[59] Für die 16 Jahre, die er zählte, war das ein energischer Entschluss. Und er führte ihn auch wirklich durch. Die Eltern fügten sich mit schweren Bedenken in die neue Sachlage, liessen sich indessen bewegen, alles zu tun, was zur Förderung des Planes dienlich sein konnte. Nach deutschem Staatsbürgerrecht kann der männliche Staatsangehörige nur bis zu seinem vollendeten 16. Lebensjahre auswandern, sonst wird er, falls er sich nicht zum Militärdienst stellt, als fahnenflüchtig erklärt. Die zur Auswanderung nötigen Schritte wurden daher schleunigst getan, u. so wurde der junge Albert heimatlos, bis er sich später in der Schweiz naturalisieren lassen konnte.[60] Gar emsig setzte er seine mathematischen u. naturwissen- schaftlichen Studien fort, arbeitete auch damals schon das grosse Lehrbuch von Violle fast vollständig durch[61] u. lernte nebenher in der väterlichen Fabrik die Praxis etwas kennen.[62] Seine Arbeitsweise war ganz sonderbar: selbst in grösserer Gesellschaft, wenn es ziemlich laut herging, konnte er sich auf das Sofa zurückziehen, Papier u. Feder zur Hand nehmen, das Tintenfass in bedenklicher Weise auf die Lehne stellen u. sich in ein Problem so sehr vertiefen, das ihn das vielstimmige Gespräch eher anregte als störte. Ein Zeichen bemerkenswerter Konzentrationsfähigkeit. Das freiere Leben u. die selbständige Arbeit machten aus dem stillen, ver- träumten Knaben einen fröhlichen, mitteilsamen, überall wohlgelittenen jun- gen Mann. Nebenher machte er sich mit der deutschen klassischen Literatur vertraut. Obschon er vorerst nur Mailand u. Pavia kennenlernte, machte Italien auch [59] It is possible that a certificate from a Gymnasium teacher, praising Einstein's "mathematical knowledge and abilities" and recommending him for matriculation at a uni- versity, was helpful in reassuring his parents (Kayser 1930, pp. 42-43). [60] What was required was a release from Württemberg (and hence German) citizen- ship. The date of Einstein's request for this release is not known, but it was granted on 28 January 1896 (Doc. 16). [61] Einstein's copy of Violle 1892-1893, with a Milan bookshop sticker, is still in his library. Underlinings and brief annotations in Gothic script indicate his early study of at least some sections. [62] On one occasion Einstein helped solve a difficult machine design problem. Jakob Einstein told one of the apprentices: "Wißen Sie, das ist schon fabelhaft mit meinem Neffen. Wo ich und mein Hilfsingenieur uns Tage lang den Kopf zerbrochen haben, da hat der junge Kerl in einer knappen Viertelstunde die ganze Geschichte heraus gehabt. Aus dem wird nochmal was!" (Cited in Otto Neustätter to Einstein, 12 March 1929.)
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