DOCUMENT 532 MAY 1918 749
Inzwischen will ich
nun
doch noch einmal
wieder
versuchen,
mich schriftlich
verständlich
zu
machen.[2]
Ich
bitte
mir aber
zu
erlauben,
dass
ich
nur
über
die
"pseudoeuklidische"
Theorie
spreche.[3]
Ihrer
Gravitationstheorie mit
dem
ge-
krümmten
Raum[4]
kann ich immer noch keinen Geschmack
abgewinnen.
Je mehr
die Zeit
vergeht, um
so
lebhafter
werden mir meine alten
Einwände,
die durch
un-
ser
Berliner
Gespräch zum
Teil vielleicht für eine halbe Stunde
beschwichtigt wor-
den
sind,
deren
Berechtigung
ich dann aber sehr schnell
wieder
erkannt
zu
haben
meine.[5]
Die
Fragen,
die ich in diesem
Brief
berühren
will,
sind
so allgemeiner
Na-
tur,
dass
es
vielleicht
gar
nicht
einmal
darauf
ankommt,
ob wir
"pseudoeuklidisch"
oder
"nicht pseudoeuklidisch"
denken wollen. Indessen möchte ich doch eine feste
Basis
haben,
von wo aus
ich
spreche.
Ich
habe kürzlich die Schwarzschildschen Arbeiten über das Gravitationsfeld ei-
ner
Kugel[6]
etwas
genauer vorgenommen
und
auch
Ihren
Aufsatz
über
"nähe-
rungsweise
Integration"
von
1916
gelesen.[7]
Da
finde ich
am
Schluss die Bemer-
kung:
"Wenn
es
also auch in dieser
Untersuchung
sich als
bequem herausgestellt
hat,
die Wahl des
Koordinatensystems von vorne
herein
keiner
Beschränkung
zu
unterwerfen,
...
so zeigt unser
letztes
Ergebnis
doch,
dass
der
Koordinatenwahl
gemäß
der
Bedingung
^[-g
=
1
eine tiefe
physikalische Berechtigung zu-
kommt."[8] Das ist vollkommen derselbe
Standpunkt,
den ich in den
Göttinger
Vor-
trägen[9]
vertrete.
Und
zwar
ist der
Grund,
der
Sie
zu
dieser
Bemerkung bringt,
auch
fast
genau
derselbe,
den ich
an
dem sich
schlängelnden
Stab erklärt
habe.[10]
Sie sind bei Ihren
Untersuchungen
auf
ein
Koordinatensystem gestoßen,
in
wel-
chem solch ein
Schlängeln
eintreten
würde,
und Sie verwerfen dieses
"wellenartig
zitternde
Koordinatensystem"
als
unphysikalisch.[11]
Ich sehe
hieraus,
was
ich
schon immer
vermutet
habe,
dass wir im Grunde mit
unsern
Ansichten
weitgehend
in
Übereinstimmung
sind,
ich möchte
sagen:
wir denken eben beide wesentlich
physikalisch.
Die mathematische Denkweise kann
ganz
anders
geartet
sein,
ich
fin-
de,
dass mathematische
Begabung un[d]
physikalische
Begabung überhaupt ver-
schiedener
sind,
als
man
vielfach
glaubt.
Wenn
man
die Probleme
nur
mathema-
tisch
bewältigen
will,
so
darf
man
dazu die
paradoxesten
Annahmen
benuten,
um
eine
bequeme Handhabung
des
Calculs
zu
erreichen. Die
Mathematik wimmelt
ja
von
solchen Paradoxien.
Die
naturwissenschaftliche Logik
des
Physikers
ist viel
strenger
und
gebundener.
Um
ein
ganz
elementares
Beispiel
zur
Erläuterung
dafür
zu geben,
was
ich
meine,
erinnere ich
daran,
dass
man
in der
analytischen
Mecha-
nik ohne weiteres Kräfte
zulässt,
die mit der
Zeit
veränderlich sind.
Der
Physiker
muss
an
einer solchen Kraft Anstoß
nehmen,
er muss
suchen,
sie
erst
zu
erklären,
er
findet ein
Problem,
wo
für den
nur
rechnenden Mathematiker alles
bequem er-
ledigt
ist.
So kann auch der Mathematiker zufrieden
sein,
wenn man
den Foucault-
schen Pendelversuch und die mit ihm verwandten
Erscheinungen
mit Hilfe
irgend