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DOCUMENT 532 MAY 1918
eines kuriosen
Koordinatensystems
nach der
"allgemeinen
Relativitätstheorie"
rechnerisch
bewältigen
kann. Der
Physiker
aber
kann einem
Koordinatensystem,
in welchem
"scheinbare",
wie sie
sagen,
oder
"fingierte",
wie ich
sage,
Gravitati-
onswirkungen
auftreten,
niemals dieselbe
Berechtigung
zuschreiben,
wie
einem,
in
welchem
nur
"reale" Gravitationsfelder
vorkommen. Sobald Sie
nun sagen,
alle
Koordinatensysteme
seien
"prinzipiell"
gleichberechtigt,
so
stellen Sie sich damit
auf
den
Standpunkt
des
Mathematikers,
der alles definieren
kann,
wie
er es "kraft
souveräner Machtvollkommenheit"[12] will.
Sagt man dagegen,
wie ich
es
immer
tue,
sie seien nicht
prinzipiell gleichberechtigt,
dann
spricht man
als
Physiker,
der
an strengere, naturwissenschaftlich-logische Prinzipien gebunden
ist. So
sprechen
auch Sie in dem zitierten Satz als
echter
Physiker.
Erlauben Sie
mir,
Ihnen
hierüber
meine
Meinung
noch
etwas
ausführlicher
zu
schildern,
hoffentlich
langweile
ich
Sie nicht damit. Gerade die dem Mathematiker
fremden,
naturwissenschaftlich-lo-
gischen Prinzipien
sind in der theoretischen
Physik
das
Wichtigste.
Denn die theo-
retische
Physik
will
ja
nicht blos mathematische Probleme
lösen,
ihr höchstes Ziel
ist
doch
immer,
wie
gerade
Ihre
Forschungen
so
glänzend zeigen,
der
experimen-
tellen
Forschung neue
Bahnen
zu
weisen. Dazu
kann die rein
mathematische,
prin-
zipienlose
Denkweise
niemals
führen,
dafür sind eben die naturwissenschaftlich-
logischen Prinzipien
die
Leitsterne,
die
Prinzipien,
deren letzter Grund das Postulat
einer
wirklichen, objektiv
existierenden Welt
ist,
ohne welches
es
eben eine Erfah-
rungswissenschaft
nicht
geben
kann. Diese
Prinzipien
leiten den
Physiker,
sei
es
bewusst oder
unbewusst.[13]
Und Sie haben all die wundervollen
Konsequenzen
aus
Ihrer
Theorie,
was
ich auch in meinen
Göttinger Vorträgen
besonders
betont
habe,[14] gerade deswegen
entdeckt,
weil Sie den rein mathematischen
Standpunkt
der
"Hilbertschen
Welt" nicht
konsequent
inne
gehalten,
sondern
vielmehr
als
Phy-
siker
gedacht
haben.[15]
Stellen Sie sich doch
nur
einmal
vor,
man
wolle
ganz
kon-
sequent
den
Standpunkt
vertreten,
es
gebe
keine Schwerefelder sondern
nur
nicht-
minkowskische
Raumgebiete!
Vielleicht kann
man
damit viele Probleme
tüchtig
mathematisch
anpacken,
aber
zu
den
Aussagen
von
der
Krümmung
der
Lichtstrah-
len,
von
der
Veränderung
der
Atom-Schwingungsdauern
im Gravitationsfeld u.s.f.
würde
man
niemals
kommen,
weil
man
dazu eben
physikalisch
denken
muss.
Ein Problem
nun,
was
den
Mathematiker
zunächst
gar
nicht berühren
wird,
aber
für den theoretischen
Physiker
von
großer Wichtigkeit
ist,
scheint
mir
die
Frage
nach dem natürlichen
Koordinatensystem
zu
sein,
welches
man durchweg
nach
allgemein gültigen
Vorschriften ermitteln soll und welches die
Erscheinungen
mit
der
größtmöglichen
Einfachheit
zu
beschreiben
gestattet,
in welchem
beispielswei-
se
"scheinbare" Wellen und ähnliche Monstra
prinzipiell ausgeschlossen
sind,
in
welchem das Feld einer
Kugel
auch
kugelförmige Symmetrie
hat,
in welchem das
Relativitätsprinzip
für konstante
Geschwindigkeiten gilt.
Ich
glaube,
darüber
sind
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