DOCUMENT
663 DECEMBER 1918
959
Geldes[3]-Erzwingung von Lohnerhöhungen
.....
unerbittlich
zuführt. Immerhin
fühlen sich die
meisten erleichtert
durch die
Rosskur,
auch
solche,
welche
genau
wissen,
dass sie
von
ihrem Geldbeutel
endgültig
Abschied nehmen müssen. Drol-
lig
sind
nun
die
Sitzungen
der
Ak.;
die alten Leutchen sind
grösstenteils
ganz
des-
orientiert und
schwindlig.
Sie
empfinden
die
neue
Zeit
wie einen
traurigen
Carne-
val und trauern nach der alten
Wirtschaft,
deren Verschwinden unsereinem eine
solche
Befreiung
bedeutet. Wenn ich den Treitschke im
Hof
der Universität sehe
mit
seiner
protzig-arroganten Stellung
und
seinem soliden Bauch
aus
Erz,
kommt
er
mir
vor
wie ein
Mammut
aus
der Bismark-schen
Eiszeit.[4]
Lang
ist
es
her.....
d. h.
etwa vier
Wochen,
da
war er
noch ein Gott neben dem
Obergott
Bismark,
der
jetzt
auf
einmal in demselben Lichte den vielen
erscheint,
in dem
er
uns
immer
er-
schien. Wenn
man
die
Rosskur
nur
überlebt;
manche
Symptome
sind etwas
gar ver-
dächtig.
Aber
ich lasse mich nicht
aus
dem
Optimismus bringen.
Ich
geniesse
den
Ruf
eines untadeligen
Sozi;[5]
infolgedessen
gelangen
Helden
von gestern
schweif-
wedelnd
zu
mir,
in
der
Meinung,
dass ich ihren Sturz ins Leere aufhalten könne.
Drollige
Welt!
Du bist aber ein wahrhaft
lüderlicher
Institutsvater,
dass Du Dich
so lange
in Zü-
rich herumtreibst. Ich
gäbe was
drum,
wenn
ich Dich nach der Stätte Deiner Pflicht
begleiten könnte,[6]
nach der
mancher
hiesige
Lodenritter
jetzt
seufzt.
(Ich
tröste
sie immer
damit,
dass
Misserfolg versöhne). Allerdings
thät ich mich bei dem lie-
benswürdigen
Levi-Civita in Padua
aufhalten;[7]
vielleicht
machst
Dus auch so?
Weyl
schickte
mir eine
ungemein
feine und
geistreiche
Arbeit für die
Akademie,
die aber nicht
dort
gedruckt
werden
kann,
weil die Akademie ihre Berichte
wegen
allzugrossem Andrang infolge Papiermangel Nichtmitgliedern
verschliessen
mus-
ste.
Ich
bin
ganz
fest
überzeugt,
dass
Weyls
Aich-Invarianz in der Natur nicht
zu-
trifft
und hab ihm meine Bedenken
neuerdings begründet.[8]
Aber
ich
weiss,
dass
einer,
der mehr als ein halbes Jahr
in eine Idee verliebt
geblieben
ist, aus
deren
Bann nicht mehr
zu
retten
ist, wenigstens
nicht
durch andere.
Meine
Scheidungsangelegenheit
ist ein
Spass
für
alle,
die darum wissen.
Jetzt
hätte ich einvernommen werden sollen
an
einem
hiesigen
Gericht,
habe aber die
Einladung
zu
spät
bekommen. Unterdessen sind die Akten wieder nach Zürich
zu-
rückgesandt
worden![9]
Es ist
rührend,
wieviel sich
Zürcher[10]
um
die Sache be-
müht.
Grüss
mir
Vero
und
Deine
ruppige Regierung (Anna),[11]
sowie
Zangger
und
Dällenbach. Sei
herzlich
gegrüsst von
Deinem
Albert.
ALS
(SzGB).
Einstein/Besso
1972,
50
(E. 40).
[7
328.1].
According
to
Einstein/Besso 1972,
pp.
145
and
126,
the
envelope
is addressed
"Herrn
Michele Besso Universitätsstr. 33 Zürich
(Schweiz)"
with
return address "Abs. A.
Einstein
Haberlandstr.
5
Berlin."