DOCUMENT 27 MAY 1905 31 27. To Conrad Habicht Bern Donnersta[g] [18 or 25 May 1905][1] Lieber Habicht! Es herrscht ein weihevolles Stillschweigen zwischen uns, so daß es mir fast wie eine sündige Entweihung vorkommt, wenn ich es jetzt durch ein we- nig bedeutsames Gepappel unterbreche. Aber geht es dem Erhabenen in die- ser Welt nicht stets so? Was machen Sie denn, Sie eingefrorener Walfisch, Sie geräuchertes, ge- trocknetes eingebüchstes Stück Seele, oder was ich sonst noch, gefüllt mit 70% Zorn und 30% Mitleid, Ihnen an den Kopf werfen möchte! Nur letzteren 30% haben Sie es zu verdanken, daß ich Ihnen neulich, nachdem Sie Ostern so sang- und klanglos nicht erschienen waren,[2] nicht eine Blechbüchse voll aufgeschnittenen Zwiebeln und Knobläuchern zuschickte. Aber warum haben Sie mir Ihre Dissertation immer noch nicht geschickt?[3] Wissen Sie denn nicht, daß ich einer von den 11/2 Kerlen sein würde, der dieselbe mit Interesse und Vergnügen durchliest, Sie Miserabler? Ich verspreche Ihnen vier Arbei- ten dafür, von denen ich die erste in Bälde schicken könnte, da ich die Frei- exemplare baldigst erhalten werde. Sie handelt über die Strahlung und die en- ergetischen Eigenschaften des Lichtes[4] und ist sehr revolutionär, wie Sie sehen werden, wenn Sie mir Ihre Arb[eit] vorher schicken. Die zweite Arbeit ist eine Bestimmung der wahren Atomgröße aus der Diffusion und inneren Reibung der verdünnten flüssigen Lösungen neutraler Stoffe.[5] Die dritte be- weist, daß unter Voraussetzung der molekularen Theorie der Wärme in Flüs- sigkeiten suspendirte Körper von der Größenordnung 1/1000 mm bereits eine wahrnehmbare ungeordnete Bewegung ausführen müssen, welche durch die Wärmebewegung erzeugt ist [6] es sind unerklärte Bewegungen lebloser kleiner suspendirter Körper in der That beobachtet worden von den Physio- logen, welche Bewegungen von ihnen "Brown-sche Molekularbewegung" genannt wird.[7] Die vier[te] Arbeit liegt erst im Konzept vor und ist eine Elektrodynamik bewegter Körper unter Benützung einer Modifikation der Lehre von Raum und Zeit [8] der rein kinematische Teil dieser Arbeit wird Sie sicher interessiren. Solo gibt nach wie vor Stunden und bringt sich nicht dazu, das Examen zu machen [9] ich bemitleide ihn sehr, denn er führt eine traurige Existenz. Auch