D O C U M E N T 1 9 5 J U L Y 1 9 2 1 2 3 7
195. From Walther Nernst
Berlin Am Karlsbad 26a, den 29/Juli 21
Lieber College Einstein!
Vielen Dank für Ihre freundl. Zeilen vom 23 d. M. Die Prüfung des neuen Ven-
tils wird, wie ich fürchte, sehr schwierig sein u. mit unsern Mitteln nur in längeren
Zeiträumen durchzuprüfen
sein.[1]
Denn man müsste eine ganze Serie verschiede-
ne Ventile mit Compressoren bauen u. den Reibungsverlust bestimmen. Das ist na-
türlich zu machen, müsste aber vorher sehr genau erwogen u. durchgesprochen
werden.
Der grosse Compressor, der pro Umdrehung mehr als das vierfache Volum des
kleines fördert, ist nun an ein Vorgelege montiert; Montag hoffen wir die ersten
Versuche zu machen. Ich bin äusserst gespannt auf das Ergebnis. Wenn alles
klappt, müsste die Kältemaschine gut arbeiten ohne jede Correction, d. h. die En-
ergie des Motors müsste mehr als die dreifache Kälteleistung geben.
Von Esslingen erhielt ich soeben eine sehr seltsame Antwort. Die
Firma[2]
schreibt, dass die Versuche „eine für eine derartig kleine Maschine aussergewöhn-
lich grosse Kälteleistung von 20–2300 Cal pro HP u. Stunde gegeben hätten“ (mehr
hatten wir nie behauptet). Dann aber folgt eine recht confuse Rechnung, wonach
die grosse Sch[luß?]arbeit den Vorteil im Vergleich zur NH3-Kältemaschine über-
kompensieren würde u. dass sie daher verzichten müssten.— Offenbar wie sie auch
andeutet, ist die Furcht vor Feuergefährlichkeit der wahre Grund der Ablehnung.
Eher neue Verhandlungen begonnen können, muss der grosse Compressor aus-
probiert werden, was, wie oben bemerkt, baldigst geschehen soll; dann werden ev.
derartige Einwände von vornherein hinfällig.—
Gestern trug ich in der Akademie über „Lebensalter von Fixsternen“
vor,[3]
sodann über eine Bestätigung des Aequivalentgesetzes für die photographische
Platte, deren Mechanismus in einer Arbeit von Eggert u. Noddack, wie ich denke,
einfach u. sicher aufgeklärt
ist.[4]
Was den ersten Punkt anlangt, so ist es ein riesiges Manko, dass wir von den nor-
malen Sternen, d. h. den Einzel-, nicht Doppelsternen, keinen Massenangaben
besitzen (ausser für die Sonne). Die Doppelsterne führen vielleicht als absonderli-
che Gebilde, wenn durch Trennung eines grossen Sterns entstanden, stark auf
Abwege. Brauchbar sind vielleicht nur die grossen Sterne mit einem sehr kleinen
Begleiter.
Ihr Vergleich Sonne–Erde wird vielleicht viel schlagender im Falle der Doppel-
sterne, die aus einem hellen u. einem dunkeln Stern bestehen. Ich finde übrigens,
dass nach der Stellarstatistik die Sonne als Nebelstern ca. 50 mal so viel Energie
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