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175. To Arnold Sommerfeld
[Berlin.] 13. VII. 21.
Lieber Sommerfeld!
Den gewünschten Vortrag will ich gern halten, obwohl mir nicht klar ist, was ich
damit leisten
könnte.[1]
Neues von Interesse habe ich nicht zu sagen und das Alte
pfeifen schon alle besseren Spatzen von den Dächern. Wenn es aber trotzdem
verlangt wird, komme ich um den 1. November da ich um diese Zeit nach Bologna
fahren
muss.[2]
Nun zum
Zeitungsartikel.[3]
Ich bedauere es offen gesagt, dass Sie ihn geschrie-
ben haben. Dies ist überhaupt nur infolge der durch den Krieg geschaffenen Isolie-
rung möglich. Kein gebildeter Engländer glaubt an die Kriegsmärchen oder legt
Wert auf solche kleinliche Dinge. Ich habe bei meinem Aufenthalt in England die
Erfahrung gemacht, dass die dortigen Gelehrten meist vorurteilsfreier und objekti-
ver sind als unsere
deutschen.[4]
Dies ist auch gar nicht zu verwundern, da sie in
jeder Beziehung in der leichteren Situation sind. Immerhin muss ich bemerken,
dass ein stattliches Häuflein der englischen Gelehrten von Rang Pazifisten sind und
Kriegs[d]ienst verweigert haben, z. B. Eddington,
Russel.[5]
Wenn Sie dort gewe-
sen wären, würden Sie sicher auch fühlen, dass es nicht am Platze ist, den Leuten
dort mit solchen Lappalien zu kommen. Wie das grosse Publikum denkt, weiss ich
nicht. Aber bei uns ist auch ungeheuer gelogen worden ohne Dementi, und es wäre
gewiss wenig fruchtbar, wenn die ganze während des Krieges angesammelte
schmutzige Wäsche nun mit vereinten Kräften ans Tageslicht gezogen würde.
Jedenfalls kann ich meine Hand dazu nicht bieten und bitte Sie im Interesse des
wiederherzustellenden guten internationalen Einvernehmens, diese unfruchtbare
Sache liegen zu lassen. In Amerika und England habe ich überall ehrlichen Ver-
ständigungswillen, Hochachtung für die geistigen Arbeiter Deutschlands und
Bewunderung für Ihre wissenschaftliche Arbeit sowie Sympathie für Sie persön-
lich
gefunden.[6]
Also weg mit dem alten Groll. Man kann es, ohne sich das Gering-
ste zu vergeben!
An die Möglichkeit eines positiven Erfolges der Herzfeldschen Versuche habe
ich niemals geglaubt, auch darum, weil ja der inverse Effekt auch zu klein ist. Die
Teufelei sitzt
tiefer.[7]
Es wundert mich, dass Mach nicht für die Relativitätstheorie war. Dieser Gedan-
kengang liegt nämlich ganz in seiner Denkrichtung. Ich bin neugierig, wie er zu
seinem ablehnenden Standpunkt
kommt.[8]
Die Reise war gewaltig anstrengend, aber von gutem Erfolg, sodass ich nun froh
bin, sie unternommen zu haben. Nehmen Sie mir meinen Standpunkt bezüglich des