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Ihnen hören zu können. Sommerfeld hat mir Ihren Brief gegeben, in dem Sie die
Gründe Ihres Nicht-Kommens
darlegen;[2]
ich verstehe Sie vollkommen u.
begreife Ihre Abneigung, im Centrum gegensätzlicher Meinungen stehen zu sollen;
aber wenn Ihr Weg Sie wieder südlich führen sollte, dann gehen Sie bei uns nicht
vorbei; es wird vielleicht für Sie u. uns und all’ die Freunde, die Sie hier haben,
noch schöner sein, wenn Sie offiziell nichts zu tun haben.
Dr. Schuler wird Ihnen geschrieben
haben;[3]
ich habe ihm den Vorschlag ge-
macht, den Versuch mit der kurzgeschlossenen Spule statt des festen Cylinders ein-
fach so zu machen, daß wir eine Differenz-Messung der warmen u. kalten Spule
vornehmen bei sonst völlig gleicher
Anordnung.[4]
Ergiebt sich eine Differenz
nach der + Seite hin, dann ist die Sache schon sehr merkwürdig; zu erwarten wäre
ja wohl eine kleine Abschwächung der Nadelablenkung infolge der schlechten
Leitfähigkeit des Kupfers bei höheren Temperaturen. Schuler will es mit der Induk-
tion versuchen, ev. mit Verstärker-Röhren.
Der neue Kompaß ist fleißig in Arbeit, ich warte nur darauf, daß er zusammen-
gesetzt ist, um nach Kiel zu fahren; zum Schlusse hat mir die zauberhafte Flüssig-
keit, das bromierte Glycerin, noch einen recht bösen Streich gespielt, sie alterte
sehr schnell bei Wärme u. Storm-Durchgang; jetzt bin ich doch beim Wasser ange-
langt u. bin recht zufrieden mit der Konstruktion; ich habe den Vorteil, daß ich kei-
nen Ventilator mehr brauche zur
Wärme-Abführung.[5]
Zur Zeit denke ich über
eine Übertragungs-Vorrichtung nach, die auf 1–2 Minuten genau gehen
soll.[6]
Sommerfeld ist Ihretwegen im Zorn wegen des Interviews im
Figaro;[7]
ich
denke, Sie werden es selbst gar nicht zu Gesicht bekommen haben! Besonders die
Ausdrücke caporalisé u. des
sous-officiers[8]
haben hier in München, wo es zur Zeit
sehr nach Monarchie u. Hoch-Deutschland riecht, Leibgrimmen verursacht.
Sommerfeld wollte Ihnen schreiben u. Sie veranlassen, die Ausführungen des
Franzosen richtig zu stellen, denn so könnte es nicht gewesen sein. Ich brachte ihn
glücklich davon ab; Sommerfeld bat mich dann, Ihnen darüber zu schreiben.
Vielleicht machen Sie irgend eine besänftigende Notiz in einem Briefe an mich,
dann ist wieder Ruhe in den aufgeregten Gemütern.
Es grüßt Sie vielmals Ihr allzeit getreuer
Anschütz.
ALS. Lohmeier and Schell 2005, pp. 146–148. [37 372].
[1]See Doc. 263.
[2]Doc. 261.
[3]Doc. 290.
[4]It was Einstein in his letter to Anschütz (Doc. 237) who proposed to continue the experiment
with a coil instead of a copper cylinder in order to check whether a rotating hot mass induces a mag-
netic field.
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