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Interessengegensätze bei der Entente so gross, dass sich manches mildert—(Ver-
fassungs-Zwischenfall wegen
Österreich;[9]
Intervention der Entente in Schle-
sien[10]
Die grösste Gefahr für die zukünftige Entwicklung liegt nach meiner Mei-
nung darin, dass die Amerikaner sich zurückziehen könnten; hoffentlich wird es
Wilson verhindern
können.[11]
Ich glaube nicht daran, dass sich die Menschen als
solche wesentlich ändern können, aber ich glaube, dass es möglich und sogar not-
wendig ist, der Anarchie in den zwischenstaatlichen Verhältnissen ein Ende zu ma-
chen, auch wenn das Opfer an Selbständigkeit für die einzelnen Staaten ein bedeu-
tendes sein wird.
Nun zur Philosophie. Was Sie „Maxens Materialismus“ nennen, das ist einfach
die kausale Betrachtungsweise der
Dinge.[12]
Diese Betrachtungsweise antwortet
immer nur auf die Frage „Warum?“ aber nie auf die Frage „Wozu?“ Darüber kann
uns kein Nützlichkeitsprinzip und keine Zuchtwahl hinwegbringen. Wenn also ei-
ner fragt, „Wozu sollen wir einander fördern, einander das Leben erleichtern, schö-
ne Musik machen und feine Gedanken zu erzeugen suchen?“ so wird man ihm sa-
gen müssen: „Wenn Du’s nicht spürst, kann Dirs niemand erklären“. Ohne dies
Primäre sind wir nichts und lebten wir am besten gar nicht. Wenn einer auch einen
Begründungsversuch machen wollte, in dem er zu beweisen sucht, dass diese Din-
ge das Dasein der menschlichen Art erhalten und fördern helfen, so erhebt sich erst
recht die Frage des „Wozu?“, und die Antwort auf „wissenschaftlicher“ Grundlage
wäre noch viel hoffnungsloser. Wenn man also um jeden Preis wissenschaftlich
vorgehen will, so kann man versuchen, unsere Ziele auf möglichst wenige zurück-
zuführen, die andern dann daraus abzuleiten. Dies aber wird Sie kalt lassen.
Mit der pessimistischen Wertung des Erkennens bin ich nicht einverstanden. Es
gehört zum Schönsten im Leben, Zusammenhänge klar zu überschauen; das könn-
ten Sie doch nur in einer ganz trüben, nihilistischen Stimmung leugnen. Die Bibel
aber dürfen Sie da nicht als Zeugen anführen. In Luthers Übersetzung heisst es an
vielen Stellen: Und er erkannte sie; sie aber gebar ihm einen
Sohn.[13]
Der hiess
Hierauf bezieht sich doch wohl der „Baum der Erkenntnis“. Das Ding hat also nicht
viel mit Erkenntnistheorie in unserem Sinn zu thun; oder sollten die alten Väter
sich in diesem Doppelsinn gefallen haben? Sieht diesen Liebhabern des Grübelns
und Disputierens eigentlich nicht ähnlich.—
Für die hübschen Photographien danke ich sehr Die Ihres Mannes ist wunder-
voll—ist aber auch kein übles Objekt! Er war noch nicht da; ich freue mich sehr
auf ihn. Ich habe die gegenwärtigen herrlichen Tage mit Segeln prächtig zuge-
bracht, aber mir leider beim Matrosendienst einen neuen Knax geholt (Magen) so-
dass ich wieder einmal einige Tage im Bett liegen muss. Daher auch die undeutli-
che Schrift.
Seien Sie beide herzlich gegrüsst von Ihrem
Einstein.
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