D O C U M E N T 1 4 M A R C H 1 9 1 9 2 5
14. From Erwin Freundlich
Neubabelsberg Rathaus 27. 3. 19
Lieber Herr Einstein
Ich bin wieder einen Schritt vorwärts gekommen, der mir sehr aussichtsreich
scheint.
Ein Ausbau der Methode, die Rotverschiebung bei den Spektrallinien der Fix-
sterne festzustellen, wie ich das für die Sterne im Orionnebel getan
habe,[1]
stösst
auf die Schwierigkeit, dass solche Verknüpfungen von Sternen und Nebel, bei de-
nen sowohl die Sterne als auch der Nebel spektral untersucht werden können, außer
beim Orion vorerst noch nicht zu finden sind. In den Pleyaden ist die Nebelmaterie
so schwach, dass ihr Spektrum erst nach Expositionzeiten von Stunden sichtbar
aber nicht vermessbar wird.
Nun gibt es aber im Fixsternsystem folgende merkwürdige Erscheinung. In den
Spektren der B-Sterne (das sind dieselben weissen, massiven Sterne, die auch im
Orion sich häufen) erscheinen oft 2 feine Spektrallinien dort wo die H- & K-Linie
des Kalciums auftreten müssten. Während diese H & K-Linie in Sternen vom Son-
nentyp ungewöhnlich breit und intensiv sind, sind sie dort sehr schwach und scharf.
Was jedoch an ihnen auffallend ist, ist der Umstand, dass sie in spektroskopischen
Doppelsternen die periodischen Schwankungen der Linien entweder nicht mitma-
chen oder aber nicht im Vollen Betrage der
Amplitude.[2]
Hartmann der bei δ-Orio-
nis zuerst diese Tatsache feststellte, glaubte dass diese Linien durch im Universum
ruhende Kalciumwolken erzeugt sein
könnten.[3]
Inzwischen hat man bei verschie-
denen Systemen die gleiche Beobachtung gemacht und mir erscheint folgende Hy-
pothese nicht unwahrscheinlich zu sein. Die ausserordentlich grossen B-Sterne
sind öfters mit einer sehr dünnen aber ausgedehnten Kalciumatmosphäre umgeben
(daher die dünnen Linien) in welcher sich beide Komponenten umeinander bewe-
gen. Für eine solche Annahme spricht auch der Umstand, dass das Kalcium in den
äussersten Regionen der Sonnenatmosphäre die Hauptrolle spielt. Mir erscheint es
auch sehr wahrscheinlich, dass sie zu den Sternen gehören, weil sie die Schwer-
punktsgeschwindigkeiten ungefähr richtig wiedergeben.
Ich habe nun für die Fälle, für die ich genügend genaue Beobachtungsdaten auf-
treiben konnte, folgende Grössen abgeleitet: 1) Schwerpunktsgeschwindigkeit des
Systems als Mittelwert der den normalen Dopplereffekt zeigenden Linien; 2) Ra-
dialgeschwindigkeit aus den Kalciumlinien. Für die Differenz: (1)–(2) finde ich die