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von einem erfahrenen Experimentator wiederholt werden (Harress war damals
Doktorand!) Wenn ich erst wieder in Berlin bin, werde ich dafür z. B. bei Warburg
zu werben suchen; denn am geeignetsten scheint mir zu diesem Zweck die Reichs-
anstalt, welche ja auch in Gehrcke einen sehr gewiegten, und für die bewegten Kör-
per recht interessierten Optiker
besitzt.[3]
Dies zur Einleitung. Die Frage kommt jetzt:
Wenn ich sagte, daß ich die Theorie in Ordnung gebracht habe, so habe ich dabei
natürlich so gerechnet, als ob die Beschleunigung den Betrag der Lichtgeschwin-
digkeit nicht merklich beeinflußt. Dass dies berechtigt ist, war nicht immer meine
Ansicht. Im Gegenteil glaubte ich eine Zeit lang in einer gewissen Verzweifelung
über das Harresssche Rätsel, man könnte daran den Einfluß der Beschleunigung
messen. Und als ich damals mit W. Wien darüber redete, sagte er mir, er hielte diese
Vermutung für wenig wahrscheinlich. Die auftretenden Centrifugalkräfte wären so
gering, daß wenigstens nach der allgemeinen Relativitätstheorie, bei der man sie
mit Schwereanziehungskräften gleichsetzen darf, kein Einfluß zu erwarten wäre.
Und das leuchtet mir sehr ein, denn die Zentrifugalkräfte sind bei dem Versuch
wohl kaum jemals 100-mal so groß wie die Erdanziehung auf denselben Körper.
Ich wüßte gern, ob Du diesem Schluß zustimmen kannst. Aus dem bisherigen Ver-
such kann man nichts darüber entnehemen, dazu ist er nicht genau genug.
Da ich selbst ein paar Bemerkungen zum Harressschen Versuch zu veröffentli-
chen gedenke, um dem Wiederholer alles, was er an Theorie brauchen könnte, an
die Hand zu
geben,[4]
so wäre ich Dir für eine baldige Antwort sehr verbunden. Ich
sende Dir gleichzeitig ein Exemplar der Harressschen Dissertation.
Ich möchte noch hinzufügen: Ob in einem rotierenden Mittel der Lichtstrahl sich
krümmt, ist nebensächlich. Ich kann zeigen, daß das wegen des Fermatschen satzes
in der geometrischen Optik auf die Beobachtungen keinen Einfluß haben kann. Nur
wenn zu dem Geschwindigkeitsglied in der Formel für die Lichtgeschwindigkeit
ein von der Geschwindigkeit unabhängiges Beschleunigungsglied hinzukommt,
könnte das etwas ausmachen.
Während ich dies schreibe, fällt mir noch ein: Ein solches Zusatzglied müßte,
um hier in Frage zu kommen, zur Beschleunigung proportional sein, selbst aber na-
türlich die Dimension einer Geschwindigkeit haben. Sonst könnte es nur noch ab-
hängen vom Brechungsindex des Körpers, der eine reine Zahl ist, von der Lichtge-
schwindigkeit c und der Gravitationskonstanten, deren Dimension ist.
Es ist aber mathematisch unmöglich, einen solchen Ausdruck aufzubauen.
In der Voraussetzung, daß die Beschleunigung nichts ausmacht, kann man übri-
gens die Theorie auchso darstelen, daß der Versuch einfach den Summanden
in der Lorentztransformation
m–1, 13t–3
vx c2 ⁄