D O C U M E N T 3 0 9 F E B R U A R Y 1 9 2 0 4 2 3
Ich bin nicht einer von den Vorgeschrittenen, oder gar von den Fachleuten; ich
bin 18 Jahre alt und Student der Physik im 1. Semester. Das ist eine Zeit, wo man
noch nicht weiss, ob man Kommunist oder Monarchist, ob man Atheist oder Na-
tionaljude
ist.[3]
Aber das eine weiss man doch sicher, dass das Wissen, das grosse
Wissen, eine Sache ist, die von so schmutzigem und niedrigem Gezänk, wie das
heute war, nicht begeifert werden darf, und wenn ich auch heute noch nicht—und
das sollen keine leeren Phrasen sein—die Grösse ihres Schaffens, Herr Professor,
in ihrem vollen Umfange erfassen kann,—so ein bisschen Spürsinn hat doch wohl
jeder, und dann das Thema—
Und wenn man dann hört, dass Worte wie „Sozialist“ und „Geld zurückzah-
len“[4]
oder: „Sind wir noch Studenten?!“ in einem Saale, in dem Vorlesungen wie
die an den letzten Donnerstagen stattgefunden haben, überhaupt fallen können, ja,
dann schämt man sich seiner Kommilitonen und der uns allen gemeinsamen Ju-
gendlichkeit, die in ihrem vorlauten, teilweise sogar übereifrig wohlmeinenden Ra-
dikalismus so viel Unfug anrichtet.
Sehr geehrter Herr Professor, ich schreibe das alles nicht für mich; es soll eine
Bitte um Entschuldigung sein. Nur möchten Sie am nächsten Donnerstag, wenn Sie
uns—wieder vor sich haben, das Gefühl des Ekels, dass in Ihnen durch die heutige
Taktlosigkeit des Auditoriums berechtigterweise aufkommen muss, vielleicht ein
bisschen weniger empfinden in der Gewissheit, dass es auch noch andere gibt als
die.
Ich bitte nochmals um Entschuldigung, wenn ich mir unbekannterweise erlaubt
habe, an Sie zu schreiben, und zeichne mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst
Hans Toby Cohn
stud. phil.
ALS. [45 155]. The return address “p. A. Prof. Dr. Toby Cohn W. 15. Meinekestr. 3.” appears beneath
the signature.
[1]For background on the disturbances during Einstein’s lecture, ostensibly caused by his allowing
nonpaying students to attend class, see Vol. 7, Doc. 33. The lecture was interrupted just as Einstein
was explaining the seeming contradiction between the relativity principle and the constancy of the
speed of light (Berliner Tageblatt, 20 February 1920, Morning Edition). One year earlier, the rector
of the University of Zurich, Theodor Vetter, had reprimanded Einstein for his liberal policy of admis-
sion to his lectures during the winter semester of 1919/1920 (see Doc. 4).
[2]A reference to the student council, which opposed Einstein’s open admission policy, and to the
nonpaying auditors and their supporters.
[3]The anti-Semitic tenor of the student protest was stressed in the press (see Vol. 7, Doc. 33, note
6). There were also foreign Jewish students who interpreted the incident as slanderous against Jews
and sent Einstein a message of solidarity (see Statement of the Zionist Society at the University of
Chicago [1920], [45 325]).
[4]The paying students demanded their money back because the lecture had been thrown open to
the public.
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