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DOCUMENT
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APRIL 1914
5. To
Joseph
Petzoldt
[Berlin,] 16. [14] IV. 14.[1]
Hoch
geehrter
Herr
Kollege![2]
Ihre
Ausführungen
über die Relativitätstheorie in der Zeitschr. für
posit.
Philo-
sophie
habe ich mit viel
Vergnügen gelesen.[3]
Ich sehe
aus
denselben mit
Staunen,
dass Sie
mir in der
Auffassung
des
Gegenstandes
sowie
bezüglich
der
Quellen, aus
denen Sie Ihre wissenschaftliche
Überzeugungen
schöpfen,
näher
stehen
als
meine
eigentlichen Fachgenossen,
auch insoweit sie
unbedingte
Anhänger
der
Relativi-
tätstheorie
sind.[4]
Nach
grossen
Anstrengungen
ist
es
mir
nun gelungen,
einen Be-
weis dafür
aufzustellen,
dass die letztes Jahr
aufgestellten Gravitationsgleichungen
eine höchst
weitgehende
Kovarianz
gegenüber
Beschleunigungs-Transformatio-
nen
besitzen.[5]
Drehung
und
Beschleunigung
erweisen sich als
vom physikali-
schen Standpunkt
aus
betrachtet durchaus
relativ;[6] es gibt
keinen Unterschied
zwischen einem
"wirklichen"
Gravitationsfeld und einem durch
Beschleunigung
des
Bezugssystems erzeugten
"scheinbaren" Gravitationsfeld.
In beiden Feldern
gelten
dieselben
Feldgleichungen
der
Gravitation.-
Der
einzige
Punkt
bezüglich
dessen
ich
mit
Ihren
Ausführungen
nicht einver-
standen
bin,
ist die
Angelegenheit von
der
bewegten
Uhr
(38).[7]
Die Relativitäts-
theorie lässt den
strengen
Schluss
zu,
dass eine relativ
zum
"berechtigten"
Bezugs-
system
K
gleichförmig
und
gradlinig bewegte
Uhr
U'
langsamer
läuft
(von
K
aus
beurteilt)
als
gleich
beschaffene in K ruhende Uhren
U,
mit denen wir in K die
Zeit
messen.
Darüber,
wie
U'
bezügl.
K
läuft,
während
U'
beschleunigt
bewegt
ist,
wissen wir
allerdings
nichts. Aber die
auf
K
bezogene Ganggeschwindigkeit von
U' kann durch eine endliche
Beschleunigung nur
endlich beeinflusst werden. Las-
sen
wir
U'
also
bezügl.
K eine
geschlossene
Bahn
beschreiben, derart,
dass die Be-
schleunigungszeiten
von
U'
relativ
zu
den Zeiten der
gradlinigen Bewegung von
U'
verschwinden
(alles bezügl.
K)
beurteilt, so
können
wir
den Einfluss der Be-
schleunigungszeiten
auf
die
von
den
Uhrzeigern
von
U'
zurückgelegten
Winkel
vernachlässigen.
Dann
müssen
wir
folgern,
dass
die
Zeiger von
U'
beim durch-
laufen eines
geschlossenen Polygons
weniger
vorschreiten als die
Zeiger
einer
gleichbeschaffenen
Uhr,
welche
dauernd
inbezug
auf K in
Ruhe
war.
Bei
genauer
Überlegung
des Falles werden Sie ohne Zweifel auch
zu
diesem
Resultat kommen
müssen.
Es würde
mich
sehr
freuen,
wenn
wir
uns
bald
einmal sehen
würden,
damit
wir
uns
über die
uns gemeinsam
interessierenden
Fragen
unterhalten
können.