526 DOCUMENT 385
OCTOBER
1917
Ich wäre Ihnen sehr
dankbar,
wenn
Sie
mir
ausführlich antworten
wollten,
und
es
wird
mir
ein
Vergnügen
sein Ihre
Widerlegung
in den
"Archives“
erscheinen
zu
lassen. Denn ich
glaube
dass
es
sich lohnt. Man hat über
die "relative"
Zeit
und die
wahre
"Existenz“
der
Kontraktion sehr
viel
diskutiert. So schreibt z.B. H.-A. Lo-
rentz
(Das "Relativitätsprinzip“,
Teubner
1914,[3]
S.
22 &
23): "Welche Bedeutung
müssen wir dem
Relativitätsprinzip beilegen?
Diese ist eine
Frage,
in die sich der
Physiker, streng genommen,
nicht allzu
sehr
zu
vertiefen braucht“.
Folgt
eine Dis-
kussion
über
die relative
Bewegung
und
die
Bedeutung
der
Gleichzeitigkeit.
Er
vertritt
sogar
die
Meinung,
dass
man
wohl die absolute
Gleichzeitigkeit
beibehal-
ten
dürfe,
unter
der
Annahme,
dass
ihr numerisch
verschiedene Werte
von
t
und
f
entsprechen.[4]
Er
schliesst
dann
so:
"Einstein
sagt
kurz und
gut,
dass alle soeben
genannten Fragen
keinen Sinn haben“. Lorentz
scheint
jedoch
damit
nicht
ganz
zu-
frieden
zu
sein,
denn
er fügt
noch hinzu:
"Die
Bewertung
dieser
Begriffe (Relati-
vität, Zeit)
gehört grösstenteils zur
Erkenntnislehre,
und
man
kann denn auch das
Urteil
ihr
überlassen, im
Vertraüen,
dass sie die
besprochenen Fragen
mit der be-
nötigten
Gründlichkeit
betrachten wird“. Ich habe aber die
Ueberzeugung,
dass die
Erkenntnistheorie
allein
niemals im Stand sein
wird,
auf
diese
Frage
viel Licht
zu
werfen. Sie wissen wohl wie der Grieche
gemacht
hat
um
zu zeigen,
dass die Be-
wegung möglich
ist:
er
marschierte! Ich suchte daher ob
es
mathematisch
möglich
sei
zu
den bekannten
Endformeln zu gelangen, wenn
man
einfach die
"universelle“
Zeit
postuliert.
Anderseits hat Minkowski
betont,
dass das
grosse
Verdienst Ihrer
1905er-Arbeit darin
liegt,
dass durch
diese die Lorentz-Kontraction
auf
die
Relati-
vität der
Gleichzeitigkeit
zurückgeführt
ist.[5]
Es fehlt aber bis
jetz
das
Reziproke
dazu:
wenn man
die absolute
Gleichzeitigkeit einführt,
muss
die Kontraktion
ver-
schwinden. Wenn
Sie
nun
beweisen
können,
dass der
von
mir
eingeschlagene Weg
aus irgend
einem Grunde
unmöglich
ist,
so
wird damit
m.
E. die Diskussion in ei-
nem
sehr
wichtigen
Teil
von allgemeiner Bedeutung abgeklärt.
Die
Frage
ob dabei
die Lorentz-Transformation eine
gewisse Veränderung
erleiden müsse scheint mir
geringfügig
gegenüber
der
Möglichkeit
die
Naturvorgänge
unter
einem
neuen
Ge-
sichtswinkel darzustellen.
Eben,
um
in alle diese
Fragen
Klarheit
zu bringen,
habe
ich meine
Veröffentlichung gemacht,
und
ich kann daher
nur wünschen,
dass
auf
sie auch öffentlich
geantwortet
werde.
Ich
hoffe,
dass Sie in der Schweiz die
gesuchte Heilung
gefunden
haben.[6]
Ihre
optimistische Zukunftshoffnungen[7]
haben mich sehr
gefreut.
Indem ich
mich
freue bald
wieder
von
Ihnen
zu
hören,
grüsse
ich Sie freund-
schaftlich als
Ihr
Ed
Guillaume
TLS.
[11
530].
[1]See
Doc.
383,
in which Einstein criticized Guillaume 1917a and 1917b.
[2]Wittelsbacherstraße
13.
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