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bekommen u. abgelehnt; diese will auch Sie um einen Vortrag bitten. Ob die Uni-
versität ihr ihre Räume öffnet, ist zweifelhaft. Es handelt sich bei der Arbeitsge-
meinschaft um jüngere Litteraten (jüdische, wie Geiger hervorhebt, der selbst
Frankfurter Jude ist) etwas bohemer Art, einer von ihnen name[s] Holländer glaube
ich vielleicht identisch mit einem bei der Räterepublik
hervorgetretenen.[3]
Der
Vortragscyklus ist also nicht ganz ohne politisch-socialen Beigeschmack, von der
entgegengesetzten Richtung natürlich wie der Richtg des
Ehren–Weyland.[4]
Gei-
ger hatte das sehr richtige Gefühl, dass Sie, wenn Sie in München reden, ohne Bei-
geschmack, auf rein wissenschaftlichem Podium, reden möchten, was wir alle
auf’s Herzlichste begrüssen würden. Er selbst hat für sich abgelehnt, weil er die
Verquickung von Wissenschaft u. Zeitströmungen nicht liebt.
Ich schreibe Ihnen alles, was ich zu dem Falle weiß, u. habe Geiger gesagt, es
würde viel leichter sein, Sie von einem Vortrage abzuhalten als Sie zu einem Vor-
trage zu bewegen. Zu letzterem gehe ich jetzt über:
Sie wissen, dass Sie hier jederzeit, wenn Sie uns einen Wink geben, mit offenen
Armen als Redner, zum Beispiel im Gauverein der physikalischen Gesellschaft,
aufgenommen werden. Ich habe von der Anschütz-Stiftung die Mittel, um Ihnen
Reise etc. anständig zu
vergüten.[5]
Ich würde sehr gerne dazu den weiteren Kreis
der Studenten einladen, d. h. Ihren Vortrag im Auditorium Max. stattfinden lassen.
Dass sich hier die Berliner Scenen wiederholen
könnten,[6]
glaube ich nicht u. wer-
de es mit allen Mitteln zu verhindern suchen, indem ich Kartenausgabe auf gewisse
Kategorien von Studenten beschränke.
Ich will Ihnen aber mit dieser Aufforderung nicht lästig sein. Sie sollen mir auch
jetzt nicht darauf antworten sondern erst dann, wenn Sie den Zeitpunkt für gekom-
men halten, wo Sie zu einem Münchener Vortrage Lust haben. Was ich mit diesem
Brief erreichen möchte ist nur Folgendes: Wenn Sie in München sprechen, so spre-
chen Sie bei uns u. nicht bei der litterarischen „Arbeitsgemeinschaft 1920“.
Es grüßt Sie herzlich Ihr
A. Sommerfeld
ALS. Einstein/Sommerfeld 1968, pp. 72–73. [21 338].
[1]This letter is dated by the fact that it was attached to Sommerfeld’s letter of 7 October 1920 to
Elsa Einstein [21 337].
[2]Moritz Geiger (1880–1937) was Privatdozent in philosophy at the University of Munich.
[3]For details on the Bavarian Soviet Republic (14–27 April 1919), see Max von Laue to Einstein,
7 April 1919 (Vol. 9, Doc. 18), and Hugo Seemann to Einstein, 11 May 1919 (Vol. 9, Doc. 38), note 1.
[4]Paul Weyland, whose front organization was called the “Arbeitsgemeinschaft deutscher Natur-
forscher zur Erhaltung reiner Wissenschaft e.V.” For his lecture series, see Doc. 111 and Doc. 139,
note 5.
[5]In 1917, Hermann Anschütz-Kaempfe donated 100,000 marks to a fund exclusively at the dis-
posal of the heads of the Institutes of Theoretical Physics and of Physical Chemistry at the University
of Munich. In 1919 this sum was raised to more than 1 million (see Broelmann 2002, p. 340).
[6]A reference to the events in the Berlin Philharmonic Hall (see Doc. 111) and student unrest that
took place in February 1920 during Einstein’s lectures at the University of Berlin (see Declaration by
Students at the University of Berlin, 19 February 1920 [Vol. 9, Doc. 320]).