348 DOCUMENT 228 TO PEACE MEETING verhältnismäßig leicht seine Einstellung den großen Dingen gegenüber än- dern aber der Mann, der viele Buchstaben auf der Schulbank gefressen hat und sie andern wieder vorsetzt, ist in ungleich schlimmerer Lage. Die Sprachgemeinschaft spielt dabei noch eine besonders verhängnisvolle Rolle, denn die Gesamtheit einer Nation sind Männer, die sich mit den Mitteln des Buchstabens unausgesetzt gegenseitig beeinflussen und in einer solchen Weise, daß sie einen einheitlichen Block bilden von solcher Festigkeit, daß die Besonderheit und Willkürlichkcit in der Anschauung, die Einseitigkeit, die in ihrem Weltbild liegt, gar nicht bemerkt wird von den Angehörigen einer solchen Sprachgemeinschaft. Ich habe Gelegenheit gehabt, bei Reisen nach Holland, Frankreich und Amerika mit großem Schrecken die Starrheit dieser dieser literarischen Einheiten zu sehen. Diese Besonderheiten der einzelnen menschlichen Zirkel, durch Sprache und staatliche Gemeinschaft gehegt, sind es nun, die ungeheuer schwer zu überbrücken sind denn sie sind eben das Werk von Jahrhunderten, und wir dürfen uns nicht verhehlen, daß der Kampf gegen diese eingewurzelten geistigen Grenzen ungeheuer schwer ist und daß, so lange dieser Kampf nicht durchgekämpft wird, auch wenig Aus- sicht besteht, eine wirklich solidarische Zusammenarbeit der Nationen Euro- pas in politischer Beziehung durchzuführen. Und deswegen glaube ich, daß es von höchstem Werte ist, daß jeder Mensch, der eingesehen hat, daß die Notwendigkeit unseres äußeren Lebens schon - um gar nicht von anderen Idealen zu sprechen - es mit sich bringt, daß wir eine größere Einheit des materiellen und geistigen Zusammenlebens bei dem heutigen Zustand der Welt erreichen, daß jeder zunächst sich intellektuell so einstellt, daß er nicht fragt: was tut not für mein Land, sondern: was muß mein Land noch tun, damit die größere Gesamtheit überhaupt existieren kann? Ohne die größere Gesamtheit kann das eigene Land für die Dauer auch nicht existieren. Ich glaube, nur der Mensch, der sich mit Festigkeit und Energie das gesagt hat und an jeder Stelle seines Lebens daran denkt, wird die Grenzen, welche zwischen den fest gewordenen geistigen Einheiten vorhanden sind, zu durch- brechen vermögen. Ich halte es für äußerst wichtig, daß immer, wo nur die Möglichkeit dazu vorhanden ist, Männer verschiedener Sprachen, verschie- dener politischer und Kulturkreise über die Landesgrenzen hinaus miteinander in Berührung treten und nicht mit dem Gefühl, etwas für sich und ihr Land herauszuschinden, sondern mit dem Gefühl zu versuchen, eine Brücke herzu- stellen zwischen diesen geistigen Kreisen von verhältnismäßig selbständigen Werken. Nur auf diese Weise können wir hoffen, daß wir in absehbarer Zeit eine solche politische Gemeinschaft - sagen wir z. B. von Europa - erreichen, daß wir hoffen können, wirtschaftlich und auch in bezug auf die geistige Existenz uns so zu behaupten, daß dieses Leben als lebenswürdig be- zeichnet werden kann. (Lebh, Beifall.) Als nächster Redner wendet sich hierauf der berühmte Soziologe der Sorbonne, Prof. Bougle, gegen die Legende, als ob das französische Volk vom Militarismus und Imperalismus erfüllt sei. Er führt als Gegen- beweis verschiedene Tatsachen an, in erster Linie die französische Liga für Menschenrechte selbst, die in Frankreich über hunderttausend Mitglieder be- sitzt und durch ihre Existenz beweist, daß ein großer Teil des französischen Volkes von Imperialismus und Militarismus nichts wissen will. Daneben be- stehen aber noch weitere Organisationen mit ähnlichen Tendenzen, so die Liga für die Republik, deren Devise heißt: "Die französische Nation gegen den französischen bloc national!" Ein weiterer Beweis gegen die Legende
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