V O L . 3 , D O C . 1 0 a B O L T Z M A N N ’ S P R I N C I P L E 5 Wärmeleitung etc. nur als angenähert gültige Gesetze aufgefasst werden mussten ein exakt gültiges Gesetz der Wärmeleitung kann es nach dieser Theorie überhaupt nicht geben, sondern nur ein Durchschnittsgesetz. Dass die Abweichungen von diesen Durchschnittsgesetzen für gewöhnlich sehr klein sein müssen ist prinzipiell gleichgültig. Die durch die Erfahrung in so weitgehendem Masse gestützte kinetische Theorie ist aber nicht nur unvereinbar mit der Voraussetzung, dass das beobachtbare Ge- schehen exakt vollständig kausal verknüpft sei. Die von Cla Maxwell, Boltz- mann und Gibbs ausgeführten Untersuchungen[5] zeigen auch, dass beliebig grosse, der Beobachtung zugängliche Abweichungen von jenen Mittelwertgeset- zen vorkommen müssen, wenn dies auch bei den meisten der Erfahrung zugäng- lichen Erscheinungsgruppen Systemen nach der Theorie so selten auftritt, dass wir nicht dazu kommen, jene Abweichungen wirklich zu konstatieren. Am prägnantesten zeigt folgende wohlbekannte Überlegung, dass die Gesetze der Wärmeleitung sowie alle anderen Gesetze, welche nichtumkehrbare Vorgänge betreffen, nicht exakt sein können. Nach der kinetischen Wärmetheorie ist die zeit- liche Umkehrung jedes molekularen Bewegungsvorganges gleichfalls ein mögli- cher Bewegungsvorgang also gibt es überhaupt keinen thermischen Vorgang, der nicht auch in umgekehrten Sinne verlaufen könnte. So muss es also als vom Stand- punkt der molekularen Theorie der Wärme als möglich angesehen werden, dass durch blosse Wärmeleitung Wärme aus einem kälteren in einen wärmeren Körper überströmt. Warum beobachten wir dies nicht? Zeigt diese Überlegung nicht, dass die kinetische Theorie der Wärme fallen gelassen werden muss? Diese Frage ist von Boltzmann beantwortet worden, und zwar in folgenden Sin- ne: Es sei irgend ein abgeschlossenes physikalisches System betrachtet, dessen En- ergie einen bestimmten gegebenen Wert habe. Wir bezeichnen alle beobachtbaren Zustände, welche dies System bei dem gegebenen Energiewert annehmen kann, mit Zl, Z2 … Zl. Bei dem Beispiel des Kupferwürfels würde also jedes Zν eine be- stimmte Temperaturverteilung bedeuten, wobei im Ganzen l voneinander unter- scheidbare Temperaturverteilungen möglich sind. Es werde nun aber angenommen, diese Zustände Z seien von ganz verschiedener Wahrscheinlichkeit, derart, dass von allen von einem gegebenen Zustande Za sehr wenig abweichenden Zuständen einer (Zb) weitaus wahrscheinlicher ist als alle übrigen, wenigstens falls Za vom Zustande des sog. thermodynamischen Gleichgewichtes erheblich ver- schieden [ist]. Dann wird das System, falls es in den Zustand Za gebracht und dann sich selbst überlassen wird, weit wahrscheinlicher in den Zustand Zb übergehen als in in einen andern der dem Zustand Za benachbarten Zustände. Die Wahrschein- lichkeit dafür, dass dies eintrete, kann der Einheit (d. h. der Gewissheit) beliebig nahe kommen, wobei es aber prinzipiell ausgeschlossen ist, dass dieser Übergang [p. 4]