6 V O L . 3 , D O C . 1 0 a B O L T Z M A N N ’ S P R I N C I P L E vollkommen gewiss sei. D. h. Wenn wir das System sehr oft in den Zustand Za brin- gen, so wird auf den Zustand Za in der grossen Mehrzahl der Fälle, aber keineswegs immer der Zustand Zb folgen auch ein Übergang in jeden andern der dem Zustand Za benachbarten Zustände wird gelegentlich, wenn auch höchst selten, auftreten. Was vom Übergang aus dem Zustande Za in den benachbarten Zustand Zb gesagt wurde, das gilt wieder von der Aenderung welche das System vom Zustande Zb im folgenden Zeitteilchen erfährt. So gelangt man zu einer Auffassung der (scheinbar) nichtumkehrbaren Prozesse. Diese Skizze von der Boltzmannschen Auffassung ist unvollständig. Es müssen noch die Fragen beantwortet werden: „Was ist unter der Wahrscheinlichkeit der einzelnen Zustände Zl, Z2 … zu verstehen“ und „Warum ist ein Übergang von ei- nem Zustande Za zu dem wahrscheinlichsten benachbarten Zustande Zb wahr- scheinlicher als ein Übergang zu übrigen benachbarten Zuständen?“ In der ersten dieser Fragen bemerken wir folgendes. Nach der molekularen kinetischen Theorie der Wärme kann es ein Temperaturgleichgewicht im strengen Sinne nicht geben. Derjenige Zustand, welchen wir den des Temperaturgleichge- wichtes nennen, ist derjenige, welchen ein sich selbst ungeheuer lange überlasse- nes System am häufigsten hat. Aber es ist eine Konsequenz der kinetischen Theorie, dass das System alle möglichen Zustände im Laufe langer Zeiten von selbst annimmt, und zwar nimmt das System einen Zustand umso seltener an, je weiter dieser vom Zustande des thermodynamischen Gleichgewichts abliegt. Der unendlich lange sich selbst überlassene Kupferwürfel ändert unaufhörlich seine Temperaturverteilung, wobei er aber höchst selten Temperaturverteilungen annimmt, die sich beträchtlich von der Temperaturverteilung des Temperatur- gleichgewichtes unterscheiden. Wenn wir ein System die ungeheuer lange Zeit T hindurch beobachtet denken, so wird es einen für die meisten Zustände Zν unge- mein kleinen Teil τ dieser Gesamtzeit geben, während dessen das System gerade den Zustand Zν einnimmt. Das Verhältnis nennen wir die Wahrscheinlichkeit W des betreffenden Zustandes. Legte man diese Definition der Wahrscheinlichkeit eines Zustandes zu Grunde, so kann man allgemein einsehen, dass sich ein System aus einem Zustande Za im Durchschnitt so ändert, dass auf diesen Zustand der benachbarte Zustand Zb grös- ster Wahrscheinlichkeit folgt. Ich muss dies nur erwähnen, ohne auf die Begrün- dung einzutreten. Dies ist die Antwort auf die zweite der oben gestellten Fragen. Wesentlich ist, dass man die Definition der Wahrscheinlichkeit eines Zustandes unabhängig von dem kinetischen Bilde definieren kann die Wahrscheinlichkeit W ist eine prinzipiell der Beobachtung zugängliche Grösse, wenn auch deren direkte [p. [5] τ T -- - [p. 6]