610 DOCUMENT 391 IMPRESSIONS IN JAPAN (339) nicht in der Zukunft, sondern in der Gegenwart. Seine Heiterkeit äussert sich immer in feiner Form, nie geräuschvoll. Der Witz des Japaners ist für uns unmittelbar verständlich. Auch für das Drollige, Humoristische hat er viel Sinn. Ich habe mit Staunen konstatiert, dass in Bezug auf diese psychologisch gewiss tief liegenden Dinge keine grosse Verschiedenheit zwischen dem Japaner und dem Europäer besteht. Die Weichherzigkeit des Japaners zeigt sich hierbei daran, dass sein Witz nicht sarkastischen Charakter annimmt. [25] Von grösstem Interesse war für mich die japanische Musik, die sich ja teilweise oder ganz unabhängig von der unsrigen entwickelt hat. Erst beim Anhören ganz fremder Kunst kommt man dem Ideal näher, das Konventionelle vom Wesentlichen, durch die menschliche Natur Bedingten zu trennen. Die Unterschiede der japanischen Musik von der unsrigen sind in der Tat fundamental. Während nämlich bei unserer europäischen Musik Akkorde und architektonische Gliederung allgemein sind und unentbehrlich scheinen, fehlen sie bei der japanischen Musik. Dagegen sind beiden gemeinsam die dreizehn gleichen Tonstufen, in welche die Oktave geleilt ist. Mir scheint die japanische Musik als eine Art Gefühlsmalerei von ungeahnt unmittelbarem Eindruck. Für die künstlerische Wirkung scheint sogar die exakte Tonhöhe nicht so un- bedingt massgebend zu sein. Es macht mir vielmehr den Eindruck, dass es sich um eine stilisierte Darstellung von Gefühlsäusserung der menschlichen Stimme sowie solcher Naturlaute handelt, die auf das menschliche Gemüt einen Gefühlseindruck hervorbringen wie das Singen der Vögel und die Brandung des Meeres. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass Schlaginstrumente eine wichtige Rolle spielen, welchen keine bestimmte Tonhöhe eigen ist, die aber besonders geeignet sind zur rythmischen Charakterisierung. Der Hauptreiz der japanischen Musik liegt für mich in den überaus feinen Rythmen. Ich bin mir vollstäodig des Umstaudes bewusst, dass mir die intimsten Feinheiten dieser Art Musik noch verschlossen sind. Abgesehen davon, dass eine lange Erfahrung zur Unterscheidung des rein Konventionellen vom
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