DOC . 75 NOBEL LECTURE 125 I GRUNDGEDANKEN UND PROBLEME DER RELATIVITÄTS- THEORIE. Vortrag gehalten an der Nordischen Naturforscherversammlung in Gotenburg den 11 Juli 1923 VON ALBERT EINSTEIN. Betrachten wir denjenigen Teil der Relativitätstheorie, der heute in gewissem Sinne als gesicherter Besitz der Wissenschaft betrachtet werden kann, so gewahren wir zwei Gesichtspunkte, die bei dieser Theorie eine führende Rolle spielen. Die ganze Entwicklung dreht sich um die Frage: Gibt es in der Natur physikalisch bevorzugte Bewegungszustände? (Physikalisches Relativitätsproblem). Ferner erweist sich das erkenntnis- theoretische Postulat als fundamental: Begriffe und Unterscheidungen sind nur insoweit zulässig, als ihnen [2] beobachtbare Tatbestände eindeutig zugeordnet werden können. (Inhalts- Forderung für Begriffe und Unterscheidungen.) Diese beiden Gesichtspunkte werden dadurch klar, dass wir sie auf einen speziellen Fall, z. B. auf die klassische Mechanik, anwenden. Zunächst sehen wir, dass es in jedem von Materie besetzen Punkte einen bevorzug- ten Bewegungszustand gibt, nämlich den der Materie in dem betrachteten Punkte. Unser Problem fängt aber erst an mit der Frage, ob es physi- kalisch bevorzugte Bewegungszustände mit Bezug auf ausgedehnte Gebiete gibt. Dies ist vom Standpunkt der klassischen Mechanik zu bejahen die vom Standpunkt der Mechanik physikalisch bevorzugten Bewegungszustände sind diejenigen der Inertialsysteme. Diese Aussage, wie überhaupt die Grundlage der Mechanik, wie man sie vor der Relativitätstheorie im Allgemeinen darzustellen pflegte, genügt bei weitem nicht der oben genannten »Inhalts forderung». Bewegung kann nur als Relativbewegung von Körpern gedacht werden. In der Mechanik meint man die Bewegung relativ zum Koordinatensystem, wenn man von
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