D O C U M E N T 2 2 8 M A R C H 1 9 2 4 3 5 3 228. From Michele Besso [Bern, before 28 March 1924][1] Lieber Albert! 1. Ein guter Bekannter, Hr. Dr. Wissler, Assistent des Direktors der schw. Landesbibliotek[2] hat sich an mich gewendet um ein vollständiges Verzeichniss deiner Schriften zu erhalten & womöglich Mittel & Wege zu erfahren zur Beschaf- fung der nicht mehr im Handel erhältlichen. Gleichzeitig teilte er mir die Schriften mit, die die Landesbibliotek schon besitzt, welches Verzeichniss diesem Briefe bei- liegen wird. Da ich ihm nach Möglichkeit entsprechen möchte & wie du weisst meine eigene Sammlung, mit Hülfe welcher ich ihn, wenigstens für den ältern Teil hätte Auskunft geben können, in den Kriegswirren verloren habe,[3] erlaube ich mir, mich direkt an die Quelle zu wenden. Vielleicht weisst du auch, vermutliche Inhaber vergriffener Arbeiten, welchen sie um Geld & gute Worte feil wären. Etwa die Familien jung verstorbener Physiker. 2. Ich erwarte mit Spannung die in Aussicht gestellte Arbeit,[4] obwohl mich der Hinweiss auf die mathematischen Schwierigkeiten „erschreckt“. Vielleicht ver- suchst du noch mir die logische Möglichkeit an einem möglichst einfachen Bei- spiele zu erläutern. Parzielle Differenzial-Gleichungen erster Ordnung ergeben natürlich Werte der Feldvariablen, die einem System von unendlich benachbarten Hyper-Flächen gleicher Werte entsprechen. Eine anderweitige Bedingung wird ein anderes System von Hyper-Flächen ergeben, Übereinstimmung wird nur längs Ge- bilden niedrigerer Dimension bestehen. Aber einerseits scheint das nur noch for- mell etwas mit einer Feldtheorie gemeinsam haben & andrerseits ¢wird man² schimmert mir noch nicht, wie auf diesem Wege etwas den diskreten Quantenbah- nen Entsprechendes zu erreichen ist. Summa: ich freue mich auf die Arbeit & auf die Erläuterungen ad usum delfini.[5] 3. Ich habe Freude an dem Bericht über deinen Albert, dessen Inhalt ganz unsern Erwartungen entspricht.[6] Ich bin sehr gespannt darauf nach welcher Richtung der Lebensführung es ihn noch ziehen wird. Was meine Jugend betrifft, so vermisse ich allerdings nicht, dass ich ihr keine Laroche-Foucaulschen Maximen vererben kann, die allerdings nicht befolgt würden.[7] Ich denke vielmehr an die Ansätze einer einfach tatsächlichen Lebensordnung, wie noch wir sie durch unsere Eltern von den Vorfahren geerbt haben. Es ist meine ständige Bemühung meinen sehr grossen Widerwillen gegen Ordnung im Sinne dieses Wunsches zu beherrschen. Noch sind die Lebensformen der Zukunft beinahe unfassbaren Spinneweben blossen Syste- men von Richtungen gleich. So sieht das Werdende aus & ist schwer zu unterschei- den vom Hommage que la vice rend à la vertù. Siehe Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft, Quelle & Meyer 1919 S. 165.[8]
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