DOC. 321 REVIEW ELSBACH 499 Elsbachs Buch: Kant und Einstein Von Albert Einstein, Berlin [1] Das Buch Elsbachs *) zeichnet sich durch Klarheit und Sauberkeit der Begriffsbildung aus, durch Ehrlichkeit und Gründlichkeit, letz- teres sogar ein bißchen zu viel. Es liefert zu- nächst eine Darlegung der Erkenntnistheorie [2] derNeukantianer (Cohen, Natorp, Cassirer)und stellt diese Lehre dem Positivismus einer- seits, dem Realismus andererseits gegenüber. Dieses erkenntnistheoretische System ist mir nie so klar geworden als durch dieses Buch. Nach diesem System ist Wirklichkeit und Wahrheit nichts anderes als Eingereiht-Sein in einen einheitlichen zeitlich-räumlich-kausa- len Zusammenhang (Kap. 1 und 2). So wird man leicht mit dem Problem der Erlebnis- Realität (im Gegensatz zum bloß geträumten Erlebnis) und der Ding-Realität (z. B. Sonne, Wasserstoffatom) fertig. In bezug auf die genannten Grundfragen haben diese Späteren an Kants Meinung im wesentlichen fest- gehalten. Der Referent muß gestehen, daß er die in dem Buche hierüber gegebene Dar- legung zwar logisch und klar gefunden hat, daß sie ihn aber nicht überzeugt. Gibt es nicht eine Erlebnis-Realität, die man un- mittelbar empfindet, und die mittelbar die Quelle ist auch dessen, was die Naturwissen- schaft als »wirklich « bezeichnet? Haben ferner die Realisten und mit ihnen alle Natur- forscher (die nicht gerade philosophieren) nicht doch recht, wenn sie durch die höchst verblüffende Möglichkeit der Einordnung der Erlebnisse in ein (zeit-räumlich-kausales) Be- griffssystem sich dazu verleiten lassen, unab- hängig von ihrem eigenen Denken und Sein existierende reale Dinge anzunehmen? Ist dem idealistischen Philosophen die Unbe- greiflichkeit der Aufstellbarkeit eines die Erlebnisse verbindenden Begriffssystems nicht ebenso schmerzlich (vom Standpunkt des Logikers) als das Hinnehmen der Realitäts- Hypothese der realistischen Philosophen und des nicht philosophierenden Menschen (und Tieres)? Besteht überhaupt zwischen der *) Alfred C. Elsbach [Privatdozent an der Univ. Utrecht], Kant und Einstein. Untersuchungen über das Verhältnis der modernen Erkenntnistheorie zur Rela- tivitätstheorie. Berlin und Leipzig, Walter de Gruyter & Co., 1924. VIII u. 374 S. 8°. M. 8, geb. M. 9,20. Annahme, daß die Gesamtheit der Erfah- rungen bezw. Erlebnisse ein logisches, sie verbindendes Begriffssystem zulasse, und der Realitäts-Hypothese ein tatsächlicher Unterschied? Daß wir die Erlebnisse durch Be- griffssysteme derart zu verbinden und zu ord- nen vermögen, daß wir auf deren Gebrauch zu- treffende Vorhersagungen gründen können, ist ein Wunder, das durch die Realitäts- Hypothese anerkannt wird, und das durch keinen philosophischen Scharfsinn aus der Welt geschafft werden kann. Im dritten Kapitel wird die Aristotelische Begriffslehre (die »Klassen «-Theorie der Be- griffe) bekämpft und im engen Anschluß an Cassirer eine neue Begriffs-Theorie ( »Reihen- Prinzip«) dargelegt. Man wird dem Autor wohl unbedingt darin beipflichten, daß aus den Sinnen-Erlebnissen die Begriffe nicht durch irgendeine Methode (Abstraktion) logisch abgeleitet werden können, wenn auch die Sinnen-Erlebnisse der Begriffsbildung psychologisch den Weg weisen. Andererseits scheint mir aber der Nachweis dafür nicht gelungen zu sein, daß das Aristotelische Klassen-Prinzip das Verhältnis der Begriffe untereinander nicht richtig wiedergebe. Es bedeutet durchaus keinen Widerspruch, wenn jene Auffassung dazu führt, daß der allgemeinere Begriff in gewisser Beziehung der ärmere sei er ist eben ärmer an charak- teristischen Merkmalen, aber dafür reicher in bezug auf die subsumierten Einzelfalle (Begriffe). Die Schwäche der Deduktion scheint mir darin zu liegen, daß zwischen dem sinnlichen Einzel-Erlebnis einerseits und dem Begriff andererseits nicht scharf unter- schieden wird. Die Logik bezieht sich über- haupt nur auf die Begriffe und ihre gegen- seitigen Beziehungen, und es scheint mir in diesem Bereiche die aristotelische Auffassung nicht überzeugend widerlegt. Dagegen bin ich der Überzeugung, daß die Beziehung der Begriffe zu den sinnlichen Einzel-Erleb- nissen nicht anders als intuitiv zu fassen ist. Man kann sich beispielsweise vorstellen, daß das ganze begriffliche Gebäude einer Natur- wissenschaft erhalten bliebe, daß aber die nicht begrifflich zu fassenden Beziehungen