DOC. 321 REVIEW ELSBACH 501 1689 1924 DEUTSCHE LITERATURZEITUNG 24. Heft 1690 Elemente geirrt haben, und man wird stets ein System apriorischer Elemente aufstellen können, das einem gegebenen physikalischen System nicht widerstreitet. Ich darf wohl kurz andeuten, warum ich diesen Standpunkt nicht natürlich finde. Eine physikalische Theorie bestehe aus den Teilen (Elementen) A, B, C, D, die zusammen ein logisches Ganzes bilden, das die einschlägigen Experimente (Sinnen-Erlebnisse) richtig verknüpft. Dann pflegt es so zu sein, daß der Inbegriff von weniger als allen vier Elementen, z. B. A, B, D, über die Erlebnisse ohne C noch nichts aussagt, ebensowenig A, B, C ohne D. Es steht dann frei, den Inbegriff von dreien dieser Elemente, z. B. A, B, C als apriorisch anzusehen und nur D als empirisch bedingt. Unbefriedigend bleibt dabei aber immer die Willkür der Auswahl derjenigen Elemente, die man als apriorisch bezeichnet, ganz abgesehen davon, daß die Theorie einmal durch eine andere ersetzt werden könnte, die gewisse dieser Elemente (oder alleeinstimmung vier) durch andere ersetzt. Man könnte nun allerdings der Ansicht sein, daß wir durch direkte Analyse des menschlichen Verstandes bezw. des Denkens in der Lage seien, Elemente zu erkennen, die in jeder Theorie vorhandenauf sein müßten. Aber darin dürften wohl die meisten Forscher einig sein, daß es uns an einer Methode zur Erkennung solcher Ele- mente mangelt, selbst wenn man dazu neigt, an ihre Existenz zu glauben. Oder soll man sich vorstellen, daß die Aufsuchung der apriorischen Elemente eine Art asymptotischer Prozeß sei, welcher mit der Entwicklung der Naturwissenschaft fortschreitet? Elsbach ist sich dieser Schwierigkeiten wohl bewußt und beschränkt die Erkenntnis- theorie auf die analytische Betrachtung der physikalischen Wissenschaft, so wie sie gegen- wärtig vorliegt. Er rügt es mit Recht, daß der Referent sowie H. A. Lorentz »erkenntnis-etwas theoretische Gesichtspunkte« bei der Ent- scheidung zwischen physikalischen Theorien geltend gemacht haben, wo man nur von [7] »logischen Argumenten« hätte reden sollen. In Kapitel 6 »Die logischen Maßstäbe zur Beurteilung« wird mit großer Schärfe und Klarheit dargelegt, daß man zwei Theorien nicht dadurch in Parallele setzen soll, daß man ihre Behauptungen vergleicht, sondern dadurch, daß man die Argumente einander gegenüberstellt, welche die Behaup- tungen stützen sollen. Diese Untersuchung verdient sehr, beachtet und beherzigt zu werden. Gerade bei den Beurteilungen der Relativitätstheorie von philosophischen Ge- sichtspunkten aus ist in diesem Punkte viel gesündigt worden. Die Kapitel 7 und 8 befassen sich mit Cohens und Natorps Ansichten über Zeit und Raum. Mit Cohens Ausführungen habe ich nicht viel anfangen können die Natorp- sche Art zu argumentieren ist durchsichtig, geht aber nach meiner Ansicht am Wesent- lichen vorbei. Elsbach entnimmt dessen Darlegung folgende Argumente. 1. Durch Messung die Struktur des Raumes feststellen zu wollen, beruht auf einem Zirkel- schluß. Denn für die Ausführung der Messung wird die Euklidische Geometrie bereits vor- ausgesetzt. 2. Würde ein Abweichen von der Eu- klidischen Geometrie durch das Experiment festgestellt werden, so braucht dies nicht notwendig eine Veränderung der geometri- schen Gesetze zu veranlassen, da die Über- zwischen Theorie und Erfah- rung auch durch Änderung der physikalischen Gesetze hergestellt werden kann. 3. Auch wenn die nicht-euklidische Geo- metrie eingeführt würde, so würde dies nur technischen Erwägungen über die Ein- fachheit der Rechnung beruhen, wodurch die wirkliche Natur des Raumes nicht ange- griffen werden kann. Durch bloßes Um- rechnen kann einmal über die Wirklichkeit nichts ausgesagt werden. Über Wirklichkeit entscheidet Beobachtung und Experiment. 4. Die Maßbestimmung des Raumes der Wirklichkeit kann nicht durch das Experi- ment festgestellt werden, weil der Raum nicht wirklich ist. Die Stellungnahme gegenüber diesen Thesen hängt davon ab, ob man dem praktisch starren Körper Realität zuerkennt. Wenn ja, dann entspricht dem Begriff der Strecke Erlebbares. Die Geometrie enthält dann Aussagen über mögliche Experimente sie ist eine physikalische Wissenschaft, die der experimentellen Prüfung unmittelbar unterliegt (Standpunkt A). Wenn dem praktisch-starren Meßkörper keine Realität zuerkannt wird, dann enthält die Geometrie allein noch keine Aussagen über Erlebnisse (Experimente), sondern nur die Geometrie mit physikalischen Wissenschaften zusammen- genommen (Standpunkt B). Die Physik hat sich bisher stets des einfacheren Stand- punktes A bedient und verdankt ihm zum großen Teile ihre Fruchtbarkeit sie benutzt
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