5 3 2 D O C U M E N T 3 5 8 J A N U A R Y 1 9 2 9 Verwunderung, wie schön lange der Tag ist und wie überflüssig ein grosser Teil des geschäftigen und müssiggängerischen Treibens, worin man die übrige Zeit einge- spannt ist. Ich lese mit sehr viel Spannung und Vergnügen das Buch über Sozialis- mus von B. Shaw, ein ganz prächtiger Kerl mit einem grossen Einblick in das menschliche Treiben. Ich will suchen, etwas Reklame dafür zu machen.[3] Aber das Beste, in was ich fast die ganzen Tage und die halben Nächte gegrübelt und gerechnet habe, ist nun fertig vor mir und auf 7 Seiten zusammengepresst unter dem Namen „Einheitliche Feldtheorie“.[4] Das sieht altertümlich aus und die lieben Kollegen sowie auch Du mein Lieber werden zunächst einmal die Zunge heraus- strecken, so lange es geht. Denn in diesen Gleichungen kommt kein Plancksches h vor. Aber wenn man an die Leistungsgrenzen des statistischen Fimmels deutlich gelangt sein wird, wird man wieder zur zeiträumlichen Auffassung reuevoll zu- rückkehren, und dann werden diese Gleichungen einen Ausgangspunkt bilden.[5] Ich habe nämlich eine Geometrie gefunden, die nicht nur eine Riemann-Metrik, sondern auch einen Fern-Parallelismus hat, den wir bisher gefühlsmässig als cha- rakteristisch für Euklid ansahen, und die einfachsten Feldgleichungen einer sol- chen Mannigfaltigkeit führen an die bekannten Gesetze von Elektrizität und Gravitation. Selbst die Gleichungen müssen in die Rumpelkammer wan- dern trotz der Erfolge.[6] Ich will nicht versäumen, Dir die Abhandlungen zu sen- den. Wenn Du dann Deine Zunge nicht herausstreckst, bist Du ein Heuchler, „ick kenne Dir, mein Junge“, sagt der Berliner.[7] Dir und Anna[8] herzliche Grüsse und Wünsche für 29. Dein A. E. Mit der Gesundheit geht es langsam besser. Aber ich war nahe am Abkratzen, das man ja auch nicht ungebührlich hinausschieben soll. Grüsse an Sauter und Schauenberg,[9] an die andern auch, wenn einer beim Ausrichten dabei ist. ALSX. Einstein and Besso 1972, pp. 240–242. [7 102.1]. [1] Dated by Pierre Speziali according to the nonextant envelope (see Einstein and Besso 1972, p. 240). [2] At Gut Lemm (see Doc. 320, note 2). [3] Shaw 1928. For Einstein’s praise of the book, to possibly be used for publicity purposes, see Doc. 357. [4] Einstein 1929n (Doc. 365), titled “Zur einheitlichen Feldtheorie,” which he presented to the Prussian Academy five days later. [5] Einstein here alludes to his skepticism regarding the statistical interpretation of the new quantum mechanics, which he had soon contrasted with the causal nature of theories based on partial differen- tial field equations (see the Introduction to Vol. 15, secs. IX and XII, and the Introduction to the cur- rent volume, sec. I). [6] Einstein 1929n (Doc. 365) shows that the unified field equations postulated therein imply the vacuum Einstein equations at first approximation. Einstein had obtained the same result for the field equations he had previously postulated in Einstein 1928o (Doc. 219). [7] Berlin dialect for “ich kenne Dich.” [8] Anna Besso-Winteler. [9] Joseph Sauter. Ernst Schauenberg (1876–1958) was a former colleague at the Swiss Patent Office. R ik 0 =