2 1 6 D O C U M E N T S 1 1 8 , 1 1 9 J A N U A R Y 1 9 2 8 118. From Alfred Einstein Berlin S W 19 Jerusalemer Straße 46–49, 3. Januar 1928 Verehrtester Herr Professor, diesmal ist ein für Sie bestimmter Brief mir auf den Schreibtisch geflogen, und ich habe ihn in der Hitze des Gefechts geöffnet, was ich vielmals zu entschuldigen bitte. Mein Zuzug nach Berlin stellt sich immer mehr als eine postalische Kalamität heraus, und vielleicht nicht bloss als eine postalische.[1] Ihr verehrungsvoll ergebener Alfred Einstein TLS. [37 678]. On letterhead “Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung.” Addressed “Professor Dr. Albert Einstein Berlin W.” [1] For the earlier mix-ups in the mail delivery, see Abs. 122, Abs. 305, and Doc. 100. 119. From Eduard Einstein Zürich, 3. Januar. [1928][1] Lieber Papa. Ich finde es sehr nett von Dir, daß Du neben anstrengender Betätigung noch die Zeit aufbringst, fruchtlose Diskussionen mit Deinem ungeratnen Sohn zu führen.[2] Leider muß ich die Hoffnung auf eine Einigung mit Dir in der Moral mehr und mehr aufgeben. Es scheint, daß wir auf zwei grundverschiednen Böden stehn. (Womit ich nicht im mindesten andeuten will, daß beide Böden berechtigt seien.) Eine Einigung ist solange undenkbar, als Du darauf beharrst, Dein Gefühl als Richtschnur zu gebrauchen. Mein Grundsatz lautet: in Fragen grundsätzlicher Art hat das Gefühl nichts zu entscheiden. In Fragen dritter und vierter Linie darf, in be- scheidenen Grenzen, das Gefühl unter strenger Direktion des Verstandes mithelfen. Wenn man Gefühle gelten läßt, kann man nicht einmal einen Christen seinen Aber- glauben ausreden. Ich plane eine Widerlegung im großen Stil der neuen Physik, die auf der Tatsache fundieren soll, daß ich das Gefühl habe, die Erde steht im Mittel- punkt des All. Gefühle sind das wankelmütigste der Welt. Man kann Gefühle will- kürlich erzeugen und auslöschen. Zum Beispiel sehe ich seit einem halben Jahr in den Menschen nichts als Rangordnung. Ich glaube, daß Deine so große Bevorzu- gung der sozialen Gefühle ihren Ursprung in der Feigheit hat. Das Gefühl, mit andern zusammenzugehören, gewährt eine so große Sicherheit, nicht? Deine über- große Neigung zu Kunst und Wissenschaft rührt von einer gewissen Trägheit her: Die Kunst und die Wissenschaft sind nämlich Möglichkeiten, Affekte sich austoben zu lassen mit geringerem Kraftaufwand als beim „nackten Leben und Funktionieren.“ Ein Gleichnis. Denk Dir eine Spiellokomotive. Sie läuft mit einer