D O C U M E N T 4 2 1 M A R C H 1 9 2 9 6 1 5 gesamten „exakten“ Naturwissenschaften und im Geiste der Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft gelegen ist. In der Denkschrift, die der Begründung zugrunde gelegen hat, ist darauf hinge- wiesen worden, dass in der ersten Abteilung der hiesigen Physikalisch-Techni- schen Reichsanstalt ein physikalisches, lediglich der Forschung gewidmetes Institut existierte. Indessen konnte die Physikalisch-Technische Reichsanstalt schon damals nicht die Rolle und die Aufgaben eines Kaiser Wilhelm-Instituts für theoretische Physik erfüllen. Denn sie war nach ihrem Wesen immer für die Zwecke der Messung, insbesondere der Präzisionsmessung, bestimmt und nicht dem Ziele gewidmet, die Fortschritte der Theorie zu fördern. Inzwischen ist durch die organisatorische Umänderung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, durch welche deren damalige erste Abteilung verschwunden ist das Bedürfnis nach einer besonderen Pflegestätte der theoretischen Physik noch stärker hervorgetreten und sichtbar geworden. Das Kaiser Wilhelm-Institut für Physik hat auch in der Tat in den abgelaufenen 12 Jahren die theoretische Physik zum eigentlichen Gegenstande seiner Pflege gemacht. Es hat sich in der Weise bestätigt, dass es für Forschungsaufgaben dieses Zweiges eifrigen und erfolgreichen Gelehrten die nötigen Apparate und Materi- alien, unter Umständen auch Hilfskräfte zur Verfügung gestellt und in wirtschaft- lich schweren Zeiten jüngeren aussichtsreichen Gelehrten dieses Gebietes Forschungsstipendien gewährt hat. Diese Form der Betätigung, die älter ist als die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, ist durch die mit viel grösseren Mit- teln und im grösseren Rahmen erfolgende Arbeit der letzteren, wenn auch nicht wirtschaftlich, so doch organisatorisch entbehrlich geworden. Auch ist die geschil- derte Betätigung des Kaiser Wilhelm-Instituts für Physik immer mehr eine Anfangstätigkeit und ein Notbehelf als eine wirkliche Ausfüllung der Aufgabe ge- wesen. In keinem Gebiete bleibt die Summe der Tätigkeiten einzelner getrennt ar- beitender Gelehrter soweit hinter ihrer vereinigten Leistung in einem Institute zurück. Dies schreibt sich daher, dass bei der Schnelligkeit und dem erstaunlichen Masse des Fortschrittes die persönliche Berührung und das örtliche Zusammensein eine geistige Atmosphäre schafft, die zum Erfolge das beste und wirksamste beiträgt. Aus diesem Grunde darf von einem physischen Institute, in welchem nicht nur Mittel verteilt, sondern hervorragend qualifizierte Menschen zu gemeinsamer Tä- tigkeit verbunden werden, mit der besten Wahrscheinlichkeit ein grosser Erfolg erwartet werden. Dies gilt vermehrt und gesteigert darum, weil es kein reines For- schungsinstitut für theoretische Physik im Deutschen Reiche gibt, und der schöp- ferischste und fruchtbarste Zweig der „exakten“ Naturwissenschaften tatsächlich bei uns eine Stelle hat, an der die Atmosphäre des Faches sich zur gemeinsamen
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