6 1 6 D O C U M E N T 4 2 1 M A R C H 1 9 2 9 Lebensluft eines zusammenarbeitenden Kreises geeigneter Persönlichkeiten ver- dichtet. Die vorübergehende Aufnahme in- und ausländischer Fachgenossen in das neue Institut wird den Vorteil überholen, den die Austeilung von Mitteln für Arbeits- zwecke an auswärtige Fachgenossen bisher gehabt hat. Die Röntgenphysik, die Strukturlehre und besonders auch die Physik der Molekularstrahlen werden unmit- telbar akute Fragestellungen liefern, auf denen das neue Institut mit besonderem Nutzen seine Tätigkeit entfalten kann. Die theoretische Physik kann nicht mit Einrichtungen auskommen, die keine ex- perimentelle Tätigkeit ermöglichen. Jeder kommt bei seinen theoretischen Ueber- legungen an einen Punkt, wo er sich nicht weiter fortbewegen kann, wenn nicht eine oder die andere Konsequenz seines Nachdenkens zunächst geprüft und eine Feststellung getroffen wird, die ihm in der Mannigfaltigkeit der gedanklichem Möglichkeiten eine als die allein massgebliche kennzeichnet. Das Fach kann auch bei seinem derzeitigen Fortschritt nicht darauf warten, dass sich irgendwo in der Welt die geeignete Persönlichkeit findet, die eine solche Prüfung vornehmen will. Denn wenn es auch niemals auf die Länge an einer solchen fehlt, so ist doch die eintretende Ungewissheit und Verzögerung ein Nachteil, der sich auf alle Wissens- zweige ausbreitet, die von dem erfolgreichen Vorangehen Gewinn ziehen. Wenn der Experimentalphysiker im Experiment das Werkzeug erblickt, so ist das Experiment für den Theoretiker der Wegweiser, der ihm in Kreuzwegen die Richtung gibt. Zeiten, in denen es dem theoretischen Physiker entbehrlich ist, Ver- suche zu machen, kennzeichnen sich als solche, in denen der Versuch dem Ver- ständnis, die Erfahrung der Theorie vorausgeeilt ist. In unseren Zeiten gilt das Gegenteil. Aus diesem Grunde wird es nicht sein Be- wenden bei dem kleinen Archiv-Gebäude haben können, welches bei der Grün- dung mehr aus Rücksicht auf die damals verfügbaren Mittel denn aus einer abweichenden Auffassung der Bedürfnisse heraus vorgeschlagen worden ist. Es wird vielmehr notwendig sein, eine Gebäude zu errichten, in welchem auch Versu- che ausgeführt werden können. Ein oberflächlicher Ueberschlag ergibt, dass eine überbaute Fläche von etwa 600 qm mit 4 benutzbaren Geschossen erforderlich sein wird. Auch werden die zurzeit verfügbaren Jahresmittel für den Betrieb eines solchen Instituts eine we- sentliche Erhöhung erreichen müssen, für welche sich ein Anhalt aus den Bedürf- nissen anderer Dahlemer Kaiser Wilhelm-Institute leicht hernehmen lässt.
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