32 V O L . 15, D O C . 58b P A R A D I S E L O S T insoweit dieses sich über die Knechtschaft selbstischen Wün- schens erheben kann. Unzweifelhaft ist dies Gefühl nahe ver- wandt demjenigen, das die religiös schöpferischen Naturen aller Zeiten erfüllt hat. VERLORENES PARADIES Noch im siebzehnten Jahrhundert sind die Wissenschafter und Künstler von ganz Europa so fest durch ein gemeinsames idealistisches Band verbunden gewesen, daß ihre Zusammen- arbeit durch die politischen Ereignisse kaum beeinflußt wurde. Der Allgemeingebrauch der lateinischen Sprache fe- stigte noch diese Gemeinschaft. Heute schauen wir auf diese Situation wie auf ein verlorenes Paradies. Die nationalen Leidenschaften haben die Gemeinschaft der Geister zerstört, und die lateinische Sprache, die ehedem alle einte, ist tot. Die Wissenschafter, die zu Vertretern der radikalsten nationalen Traditionen geworden sind, haben den Sinn für die Gemein- schaft verloren. Heute stehen wir vor der bestürzenden Tatsache, daß die Politiker, die Männer des praktischen Lebens die Träger des internationalen Gedankens geworden sind. Sie sind es, die den Völkerbund geschaffen haben. DIE NOTWENDIGKEIT DER ETHISCHEN KULTUR Es ist mir ein Bedürfnis, Ihrer „Gesellschaft für Ethische Kul- tur“ anläßlich ihres Jubiläums Glück und Erfolg zu wünschen. Freilich ist es keine Gelegenheit, um uns mit Genugtuung an das zu erinnern, was ehrliches Streben auf dem moralischen Gebiet in diesen 75 Jahren erreicht hat. Denn man kann nicht behaupten, daß die moralische Gestaltung des mensch- 22 Published in Einstein 1953b, p. 22. An ADS in French with minor textual variations is also available. [28 002]. The title “Verlorenes Paradies” was added to the ADS in Rudolf Kayser’ s hand. For the an- notation, see the preceding document. [1]An original version in German is not extant. This document seems to be a translation back into German from the French version.
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