7 0 D O C U M E N T 2 3 J U L Y 1 9 2 5 23. From Max Born Göttingen, 15. Juli 1925. Lieber Einstein, Wir haben uns über Deine lieben Zeilen herzlich gefreut. Meine Frau ist vorge- stern mit den Kindern[1] nach Silvaplana im Engadin abgereist und wird Dir wohl von dort aus schreiben. Ich will inzwischen einiges von uns erzählen. Was zunächst die Physik angeht, so entspringen Deine freundlichen Worte über meine Geschäftigkeit Deiner guten Seele. Aber ich bin mir bewußt, daß das, was ich mache, recht alltägliches Zeug ist, verglichen mit Deinen oder Bohrs Ge- danken.[2] Mein Gedankenkasten ist sehr klapperig, es geht nicht viel rein, und was drin ist, klappert hin und her, hat keine feste Form und wird immer kompliziert. Dein Gehirn sieht, weiß der Himmel, reinlicher aus. Seine Produkte sind klar, ein- fach und treffen die Sache. Wir kapieren es dann zur Not ein paar Jahre später. So ist es uns auch mit Deiner Gasentartung[3] und der Boseschen Statistik[4] gegangen. Glücklicher Weise erschien Ehrenfest hier und hat uns ein Licht aufgesteckt.[5] Darauf habe ich die Arbeit von Louis de Broglie gelesen[6] und bin allmählich auch hinter Deine Schliche gekommen. Jetzt glaube ich, daß die „Wellentheorie der Ma- terie“ eine sehr gewichtige Sache werden kann. Die Überlegungen von unserm Herrn Elsasser sind noch nicht in Ordnung zunächst ist herausgekommen, daß er sich ordentlich verrechnet hatte—aber ich glaube doch, daß sich das Wesentliche seiner Bemerkung, besonders über die Reflexion von Elektronen, retten läßt.[7] Ich spekuliere auch ein wenig über de Brogliesche Wellen. Mir scheint, daß ein Zu- sammenhang (ganz formaler Natur) besteht zwischen diesen und jener mystischen Erklärung der Reflexion, Beugung und Interferenz durch „räumliche“ Quantelung, wie sie Compton und Douane vorgeschlagen, Epstein und Ehrenfest näher unter- sucht haben.[8] Hauptsächlich interessiere ich mich aber für die auch recht geheimnisvolle Dif- ferenzen-Rechnung, die hinter der Quantentheorie der Atomstruktur zu stecken scheint.[9] Mit Jordan[10] zusammen untersuche ich systematisch, aber mit gerin- gem Aufwand von Geist, alle denkbaren Korrespondenz-Beziehungen zwischen klassischen, mehrfach periodischen Systemen und Quantenatomen. Eine Arbeit darüber, worin wir den Einfluss nicht-periodischer Felder auf Atome untersuchen, wird bald erscheinen.[11] Sie ist eine Vorarbeit für eine Untersuchung der Vorgänge beim Zusammenstoß von Atomen (Auslöschung der Fluoreszenz, sensibilisierte Fluoreszenz nach Franck etc.) [12] man kann, wie mir scheint, die wesentlichen Züge der Erscheinung verstehen. Das verschiedene Verhalten der Atome beruht in der Hauptsache darauf, ob sie ein (mittleres) Dipolmoment oder nur ein Quadru- polmoment bezw. noch höhere elektrische Symmetrie haben. Was Deine Einwände
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