D O C U M E N T 1 0 1 N O V E M B E R 1 9 2 5 1 8 1 101. From Erwin Schrödinger Zürich, am 3. November 1925. Hochverehrter Herr Professor! Sie hatten schon vor längerer Zeit (am 28. II.) die Güte, mir einen recht dummen Einwand gegen Ihre erste Entartungsarbeit[1] in liebenswürdigster Weise und so zu beantworten, dass mir die Sache sofort klar war.[2] Erst durch Ihren Brief ging mir das Eigenartige und Neue Ihrer statistischen Behandlungsweise auf, die ich vorher gar nicht verstanden hatte, obwohl die Bosesche Arbeit[3] vorangegangen war. Aber tatsächlich ist es ja so, dass die Bosesche Arbeit (z. B. gegenüber Jeans- Debye)[4] 1) Energie und Aetherresonatoren vertauscht 2) aber auch die Statistik umdreht und so natürlich zu demselben Resultat kommt wie früher. Das schien mir zunächst nicht besonders interessant. Erst Ihre Gasentartungstheorie ist wirklich et- was fundamental Neues—und das hatte ich eben zunächst gar nicht capiert.— Ver- zeihen Sie, dass ich auf diesen Brief, der mir so wertvoll war, gar nicht geantwortet habe, ich hörte, Sie seien in Amerika, verschob die Antwort deshalb und dann hab’ ich sie verbummelt. Ich will es jetzt mit Ihrem Brief vom 26. IX.[5] der mich ausserordentlich gefreut hat, nicht wieder so machen, obwohl ich noch nicht dazu gelangt bin, alles voll- kommen durchzuüberlegen. Ich möchte nämlich die merkwürdige und interessante Thermodynamik mit den Energiestufen proportional doch ganz genau durchdenken. Vorläufig habe ich mir nur an den Kopf geschlagen, wieso dieser ein- fache, klare, selbstverständliche und absolut eindeutige Weg, den Planckschen Gedanken fortzusetzen, verborgen bleiben konnte, bis Sie ihn mit drei Zeilen auf- deckten. Wieso konnte Planck zu seinen merkwürdigen Konzeptionen kommen, wieso konnten er und ich übereinstimmend zu der Ansicht kommen, dass eine un- endliche Vieldeutigkeit vorliegt, die nur durch spezielle Annahmen zu beheben ist?[6] Ist das Gesetz, dass aus Ihren Gleichungen folgt, unbedingt abzulehnen, wie Sie vermuten, dann ist der gewonnene Aufschluss noch wertvoller, weil man dann das sichere Resultat hat, dass die Quantelung des Gaskörpers als Ganzen mit voll- kommener Dissymmetrie, (d. h. N! wesentlichen Vertauschungen in jedem Quan- tenzustand) nicht in Betracht kommen kann. Allerdings erscheint mir diese Dissymmetrieannahme Plancks am wenigsten si- cher. Ob sich an Ihren Ueberlegungen etwas ändern würde, wenn man sie fallen lässt, ist mir noch nicht ganz klar. Mit dem Auftreten von Symmetrien (wie z. B. beim zweiatomigen Molekül aus gleichen Atomen) ist wohl sicher dynamische Entartung verbunden. Ob durch diese Entartung das statistische Gewicht, das durch die Symmetrie vermindert wird, gerade wieder auf N! gebracht wird (in welchem n2 3N ⁄