6 6 6 D O C U M E N T 4 3 3 D E C E M B E R 1 9 2 6 uns zu veranlassen, das zu tun, was für das Leben günstig ist. Im Glücklich-Leben das Ziel suchen heißt also, unter [n]ormalen Umständen, naturgemäß zu leben su- chen. Wer sich den natürlichen ¢Umständen² Instinkten widersetzen will, ähnelt ei- ner Windmühle, die zwar laufen möchte, aber in umgekehrter Richtung, als der Wind bläst. Daß aber die Wissenschaft an und für sich keinen so immens großen Wert be- sitzt, zeigt einem folgende Überlegung: Man kann sich doch gut denken, es gelänge der Wissenschaft, alle Phänomene auf der Welt mit einander in Beziehung zu brin- gen. Wäre dadurch irgend gewonnen? Bei einigen Gebieten, wie der Astronomie, hätte es gar keinen Einfluß auf irgend etwas. Man müßte sich höchstens ein neues Betätigungsfeld suchen. Bei andern Gebieten würde es aber einen sehr großen Schaden ansrichten. Zum B[ei]spiel in der Psychologie. Denn wenn jeder genau weiß, nach welchen Gesetzen er denkt und handelt und weiß, welcherlei Fähigkei- ten und Eigenschaften er besitzt und welche nicht, dann verliert das Leben jeden Reiz. Ich glaube, die Ungewißheit ist ein notwendiges Element für ein auch nur ei- nigermaßen angenehme Leben. Daß die wissenschaftliche Betätigung dadurch schadet, daß sie bewirkt, daß bei- nahe nur das Gehirn anstatt dem ganzen Körp[er] zu intensivem Gebrauch gelangt, ist selbstverständlich. Man kann es rein empirisch daraus ersehen, daß die Men- schen, da sie ein besonders entwickeltes Bewußtsein haben, vor allen anderen Tie- ren durch besonders scheußliche Krankheiten behelligt werden, sowie daraus, daß Menschen, die ausschließlich mit geistiger Arbeit die Zeit ausfüllen, kränkliche, nervöse, ja bisweilen völlig vertrottelte Kinder zur Welt bringen. (Z.B. Du mich.) Es ist klar, daß ich mich nach all dem auch mein Leben lang mit geistiger Arbeit abgeben werde. Ich glaube sie ist für einen gebildeten Menschen die einzige ange- messene [T]ätigkeit.— Ich will an diesem Punkte abbrechen. Ich entnehme Deinem Brief, daß es sehr, sehr gefährlich ist, Dir Betrachtungen, die nicht ganz niet- und nagelfest sind, in die Hände zu spielen. Viele Grüße sendet Dir Dein Teddy. Mama[4] läßt Dich desgleichen vielmals grüßen. ALS. [144 484]. There are perforations for a loose-leaf binder at the left margin of the document. [1]Year determined by the fact that Doc. 434 is a reply to this document. [2]Doc. 415. [3]Swiss German for “chit-chat.” [4]Mileva Einstein-Mariü.